Politikersohn war als Neonazi aktiv

Nach Enthüllungen muss Schwedens Minister für Migration Johan Forssell um seinen Job bangen

Stellt an Einwanderer hohe moralische Ansprüche und muss den eigenen Sohn vom Rassismus abbringen: Schwedens Migrations-Minister Johan Forssell
Stellt an Einwanderer hohe moralische Ansprüche und muss den eigenen Sohn vom Rassismus abbringen: Schwedens Migrations-Minister Johan Forssell

Am Ende blieb dem schwedischen Politiker nur noch die Flucht nach vorn, an die Öffentlichkeit. Dabei hatten sich die großen Medien seines Landes tagelang zurückgehalten, nachdem die antirassistische Online-Zeitschrift »Expo« in der ersten Juliwoche berichtete, dass das »Familienmitglied« eines Ministers der Regierung in Stockholm mit Gruppen sympathisiert, die für eine »weiße Vorherrschaft« eintreten, und in einem zur Neonazi-Szene gehörenden Kampfsportklub mitgewirkt hat. Weil es hierbei um einen Minderjährigen ginge, verlegte man sich zunächst aufs Schweigen. Die Nachricht, dass es sich bei dessen Vater um Johan Forssell, Ressortchef für Migration und prominentes Gesicht der konservativen Moderaten Sammlungspartei, handelt, verbreitete sich so zunächst nur auf Twitter.

Unter den klassischen Medien ließ zunächst nur die traditionsreiche Regionalzeitung »Västerbottens Kuriren« (VK) am vergangenen Montag die Katze aus dem Sack, ohne den Jugendlichen namentlich zu nennen. In einem Kommentar wurde zudem die Frage aufgeworfen, wie es um die innere Sicherheit in Schweden bestellt sei, wenn sich Forssells Angehöriger im rechtsextremen Milieu bewegt. Das »Outing« des Ministers bei VK brachte dessen Herausgeber Marcus Melinder einen Anruf von Martin Borgs, dem Chef für Strategie und Kommunikation der Moderaten, ein, der sich bitter über die »Bloßstellung eines Minderjährigen« beschwerte. »Es ist eine neue Grenze überschritten worden«, kommentierte Melinder diesen Versuch Druck auszuüben. Auch weitere Medien sollen von der Partei entsprechend kontaktiert worden sein.

Nachdem sein Name nun doch die Runde machte, stellte sich Johan Forssell am Donnerstag einem Interview mit dem privaten Fernsehsender TV4. Über die Aktivitäten seines 16-jährigen Sohnes sei er als Vater »schockiert und entsetzt« gewesen, sagte der Minister. Er habe davon keinerlei Kenntnis gehabt. Nach langen und schwierigen Aussprachen zeige der Teenager nun aber tiefe Reue: »Diese Aktivitäten sind vorbei, aber unsere Gespräche werden natürlich weitergehen.« Seine Ausführungen bettete der Minister, der stets gern auf die Bedeutung einer guten Erziehung hinwies, in das »größere gesellschaftliche Problem« ein, dass viele Eltern kaum etwas darüber wüssten, was ihre Kinder in den sozialen Medien treiben, und sich die Frage stelle, wie man sie vor schädlicher Beeinflussung dort schützen könne.

Obwohl er den Konten seines Sohnes in den sozialen Medien gefolgt ist, hat Minister Forssell von dessen rechtsextremen Verwicklungen nach eigener Aussage nichts gewusst. Er habe etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung des Berichts in der antifaschistischen »Expo« vom schwedischen Inlandsgeheimdienst Säpo davon erfahren. Dort weiß man mindestens so viel, wie »Expo« herausgefunden hat. Demnach hat Forssells Sohn an Treffen des Neonazi-Netzwerkes Aktivklubb Sverige teilgenommen und außerdem versucht, Mitglieder für die ebenfalls zur White-Power-Bewegung gehörende Organisation Det fria Sverige (Das freie Schweden) zu werben. Zudem stand er in Kontakt zu der für rassistische Gewalttaten bekannten Nordischen Widerstandsbewegung (NMR).

Für den Politiker, der an seinem Amt festhalten will, ist die Affäre noch längst nicht ausgestanden, auch wenn sich Ministerpräsident Ulf Kristersson hinter ihn gestellt hat. Sozialdemokraten, Linke und Grüne wollen den Minister im Parlament einer Anhörung unterziehen. Die Minderheitsregierung aus Konservativen, Christdemokraten und Liberalen ist im Reichstag auf die Unterstützung der rechtsnationalistischen Schwedendemokraten angewiesen. Das bedeutet insbesondere ein Entgegenkommen bei der Einwanderungs- und Asylpolik, für die Johan Forssell als Minister verantwortlich ist. Weg vom Zustrom Probleme verursachender Asylbewerber, hin zur Gewinnung von Fachkräften, die Schwedens Wettbewerbsfähigkeit stärken, lautet sein Credo. Den Erwerb der Staatsbürgerschaft will er erschweren und an eine »ehrenwerte Lebensweise« knüpfen, Menschen, die mit extremistischen Organisationen in Verbindung stehen und als Bedrohung für die demokratischen Werte angesehen werden, sollen abgeschoben werden.

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