Arbeiter, Lehrer und Indigene wehren sich

Panamas Präsident bleibt auf Konfrontationskurs mit Gewerkschaften und sozialen Organisationen

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Polizei treibt regierungskritische Demonstranten auseinander, die die Panamericana-Autobahn in Embera Puru, Panama, blockiert haben.
Die Polizei treibt regierungskritische Demonstranten auseinander, die die Panamericana-Autobahn in Embera Puru, Panama, blockiert haben.

Die Verhandlungen mit Chiquita zur Rückkehr des Fruchtkonzerns auf die Plantagen in Bocas del Toro laufen. »Die Regierung will die bis zu 7000 Jobs erhalten, die Bananenproduktion in der Region wieder ankurbeln. Allerdings sitzt die Gewerkschaft Sitraibana nicht mit am Verhandlungstisch«, so William Hughes, Wirtschaftsprofessor an der staatlichen Universidad de Panama (UP). Dabei ist Sitraibana, die Gewerkschaft der Plantagenarbeiter*innen, die stärkste soziale Organisation in der Region. Sie hatte die rund 7000 Arbeiter*innen auf den Plantagen von Chiquita Panamá aus Protest gegen die neoliberale Rentenreform am 28. April erfolgreich zum Streik aufgerufen und die Region Bocas del Toro mit Straßensperren über Wochen komplett lahmgelegt.

Erst auf Vermittlung einer Parlamentskommission und nach einigen Zugeständnissen der Parlamentarier an die Streikenden endete der Ausstand nach 45 Tagen Mitte Juni. Doch gegen Francisco Smith, Vorsitzender der Sitraibana, der den Kompromiss aushandelte, wird wegen illegaler Straßenblockaden und Widerstand ermittelt. Er sitzt nach mehreren Wochen in Haft derzeit in Hausarrest und hat keine Chance, bei den Verhandlungen mit Chiquita die Stimme für die organisierten Arbeiter*inenn zu erheben.

»Molino kippt Öl ins Feuer, geht massiv gegen Gewerkschaften und soziale Organisationen vor.«

William Hughes  Wirtschaftswissenschaftler

Weil die Regierung einen repressiven Kurs gegen die sozialen Organisationen und vor allem gegen die Gewerkschaften führt, geht sie auch gegen deren Führung hart vor. »Präsident Mulino hat bereits im Wahlkampf angekündigt, dass er Panama aus dem ›Würgegriff der Gewerkschaften‹ befreien werde. Er vertritt eine ultraliberale Sektion aus dem Unternehmertum«, so der langjährige Dekan der UP-Wirtschaftskakultät Hughes.

Dazu passt, dass Mulinos engster Berater Roberto Brenes eine omnipräsente und libertäre Figur der panamaischen Finanzwelt ist. Der sind die sozialen Organisationen im Land ein Dorn im Auge ebenso wie sämtliche Regulierungen, die die Wirtschaft beschränken. Dazu gehören auch Auflagen, die den Bergbau in Panama erschweren oder verbieten. Deren Abschaffung oder Aufweichung hat Präsident Mulino ebenfalls auf seiner politischen Agenda stehen.

Fakt ist, dass die Wiedereröffnung von Cobre Panamá, der größten Kupfermine Mittelamerikas unter der Regie des kanadischen Unternehmens First Quantum, für den konservativen Präsidenten besonders wichtig ist. Allerdings hat das Oberste Gericht im Oktober 2023 den offenen Tagebau mit Verweis auf Gesundheitsrisiken geschlossen. »Eine Wiedereröffnung wäre ein massiver Verstoß gegen gültige Rechtssprechung«, warnt William Hughes. Er wirft der Regierung Mulino eine arrogante Haltung gegenüber den sozialen Organisationen vor.

Dieses Herangehen hat Panama seit dem 28. April die massivsten sozialen Proteste der vergangenen 30 Jahre beschert, so Maribel Gordón. Die 63-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin kandidierte bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2024 für die Frente Amplio. Damals verlor sie gegen Mulino, der 34 Prozent der Stimmen erhielt. Sie kritisiert, dass Mulino persönlich die Konflikte schüre: »Er kippt Öl ins Feuer, geht massiv gegen Gewerkschaften und soziale Organisationen vor.«

Im Fokus dabei stand in den vergangenen Monaten Suntracs, die Gewerkschaft der Bauarbeiter*innen. Deren Generalsekretär Saúl Méndez hält sich seit dem 21. Mai in der bolivianischen Botschaft auf, weil er wie so viele andere Gewerkschaftskader von der Justiz kriminalisiert wird. Zwei Suntracs-Funktionäre aus dem engsten Führungskreis sitzen in Haft, gegen sechs weitere wird ermittelt. Das sei typisch für das Vorgehen der Regierung gegen die Gewerkschaften, so Hughes und Gordón. Kritik kommt auch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Panama auf die »Short List« der 24 Staaten gesetzt hat, die massiv gewerkschaftsfeindlich agieren.

Allerdings ist das repressive Vorgehen der Regierung recht erfolgreich. Eine Parlamentskommission hat es nach einigen Zugeständnissen und langen Verhandlungen mit der Gewerkschaft der Lehrer*innen geschafft, dass diese seit dem 14. Juli wieder unterrichten. »Die Regierung hat allerdings mehrfach öffentlich bekräftigt, dass sie am neuen Rentengesetz nichts ändern werde. Zudem erhalten an den Protesten beteiligte Lehrer*innen weiterhin Kündigungen. Der Konflikt geht weiter«, so William Hughes.

Proteste gegen die Polizeirepression, der mindestens vier Menschen zum Opfer fielen gibt es ganz im Norden des Landes, in der Bananenprovinz Bocas del Toro, und auch im äußersten Süden. Dort, in der Provinz Darién, soll ein riesiges Staubecken für die Versorgung des Panamakanals mit zusätzlichem Wasser gebaut werden. Dafür sollen vor allem indigene Gemeinden enteignet werden. Dagegen protestieren sie seit mehreren Wochen. »Daran hat sich nichts geändert. Wir haben es mit einem schwelenden Konflikt zu tun, der die Wirtschaft massiv belastet«, so der Ökonom. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

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