Unverhoffter Geldsegen in Berlin

Der Senat beschließt Ausgabensteigerungen. Linke kritisiert »unseriöses Vorgehen«

Die Kürzungen aus dem Haushalt für 2025 hatten für große Proteste gesorgt.
Die Kürzungen aus dem Haushalt für 2025 hatten für große Proteste gesorgt.

Der Berliner Senat hat am Dienstag seinen Haushaltsentwurf für die Jahre 2026/27 beschlossen. Während in den vergangenen Monaten davon die Rede war, dass nach dem Kahlschlagshaushalt für 2025 mit weiteren Kürzungen von rund zwei Milliarden Euro zu rechnen sei, heißt es jetzt: mehr Geld. Der Haushalt für 2026 soll nun 43,8 Milliarden Euro umfassen. Bislang war der Senat von einem Volumen von rund 40 Milliarden ausgegangen. Nach der Sommerpause wird sich das Abgeordnetenhaus mit dem Entwurf befassen und dann bis Dezember einen Haushalt beschließen.

Die ganz große Überraschung ist die Erklärung von Dienstag nicht mehr. Bereits seit Freitag berichteten mehrere Medien über den Entwurf. Die höheren Ausgaben entsprängen keinem »Wolkenkuckucksheim«, sondern folgten übergeordneten Zwängen, wie Finanzsenator Stefan Evers (CDU) auf der Pressekonferenz des Senats am Dienstag erklärte. Neben den rechtlich vorgeschriebenen Sozialausgaben, die von Land und Bezirken erbracht werden müssen, sind das auch steigende Personalkosten. Die Einnahmen können mit diesen erhöhten Ausgaben nicht mithalten: 2026 rechnet der Senat mit 38,4 Milliarden.

Die Differenz wird vor allem über Kredite finanziert. Zum einen nimmt der Senat Transaktionskredite auf. Mit diesen werden landeseigene Unternehmen mit Finanzmitteln ausgestattet, die dann damit Investitionen vornehmen. Diese sogenannten werthaltigen Investitionen machen rund 2,5 Milliarden aus. Der Bund hat zuletzt außerdem die Schuldenbremse gelockert, wodurch weitere Kreditaufnahmen im Umfang von 800 Millionen Euro möglich werden. Die Reform ermöglicht es auch, konjunkturbedingt Kredite aufzunehmen. In den nächsten beiden Jahren soll so insgesamt eine Milliarde Euro an Schulden aufgenommen werden. Darüber hinaus werden Mittel aus dem Sondervermögen des Bundes »Infrastruktur und Klimaneutralität« eingesetzt.

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Trotz des Anstiegs der Ausgaben mahnt Finanzsenator Evers (CDU) weiter Sparsamkeit an: »Der innere Widerspruch liegt darin, dass Ausgaben steigen und Spielräume eng bleiben oder sinken.« Der neue Haushalt setze die Konsolidierung des Nachtragshaushalts vom Dezember 2024 fort. Die Situation, in der sich das Land Berlin und die Bezirke befinden, sei ein »Alarmsignal«, so Evers. »Die deutschen Kommunen sind in Not.« Das sei ein »Appell an die Bundesebene«. Es brauche eine Reform des Sozialstaats.

»Es ist erst mal gut, wenn die Kürzungen vielleicht abgewendet werden können«, sagte Tobias Schulze, Vorsitzender der Linksfraktion, bereits bei einem Pressegespräch am Montag. Aber das Hin und Her der Regierungskoalition sorgt für Unmut: »Das ist ein extrem unseriöses Vorgehen.« Gerade die Bezirke bräuchten eine dauerhafte, gute und strategische Finanzierungsperspektive. »Und die sehen wir weder im bisherigen Vorgehen noch in der aktuellen Aufstockung.« Er bemängelt das Fehlen einer solchen langfristigen Strategie: »Die Frage ›Wohin mit dieser Stadt in fünf Jahren?‹ wird nicht beantwortet.«

Schulze begrüßt zwar, dass Vorschläge der Linken, wie etwa die Finanzierung des Haushalts durch Transaktionskredite, von der Koalition aufgegriffen wurden. Aber: »Man verschiebt die Abbruchkante, die man eigentlich jetzt hatte, auf 2028 und macht sie noch höher.« Die Erhöhung sei auch ein Wahlkampfmanöver: »Im Wahljahr 2026 wird eine komplette Schubumkehr vorgenommen.« Die Koalition habe sich danach gerichtet, was man sich im Wahljahr nicht erlauben könne.

»Die Frage ›Wohin mit dieser Stadt in fünf Jahren?‹ wird nicht beantwortet.«

Tobias Schulze Vorsitzender der Linksfraktion

Rund 1,4 Milliarden der Mehrausgaben sollen an die Bezirke gehen. »Vieles, worüber sich die Senatsverwaltungen freuen würden, haben wir den Bezirken ermöglicht«, so Finanzsenator Evers.

Maximilian Schirmer, Linke-Landesvorsitzender und Pankower Bezirksverordneter, weist auf ein Problem für die Bezirke hin. Man habe in der vergangenen Woche in Pankow eine bezirkliche Haushaltsplanung vorgelegt bekommen, die nach den neuen Ankündigungen hinfällig sei. Eine neue Haushaltsplanung werde kurzfristig beschlossen werden müssen, eine demokratische Beratung durch die BVV sei so nicht möglich. »Mit uns wird nicht geredet. Eine wirkliche Beteiligung gibt es nicht. Die Träger wissen nicht, woran sie sind.«

Unbestritten ist, dass die Bezirke mehr Geld benötigen, allein um das bestehende Leistungsniveau zu halten. Camilla Schüler (Linke), Bezirksstadträtin in Lichtenberg, berichtet, dass es wegen der bisher erwarteten Kürzungen in den Bezirken zu Verteilungskämpfen um die wenigen frei verfügbaren Mittel gekommen sei. »Es wird damit angefangen, die einzelnen Bereiche gegeneinander auszuspielen. Das ist eine schwierige Situation für uns.«

Und auch die bereits vorgenommenen Kürzungen sind nicht spurlos an den Bezirken vorbeigegangen. Philipp Dehne, Sprecher für Bildung der Neuköllner Linken, berichtet etwa davon, dass es bereits spürbare Folgen an den Schulen im Bezirk gibt. So sei zum Beispiel im Hinblick auf die erwarteten weiteren Kürzungen die Tagesreinigung an Schulen gekündigt worden. Ein weiteres Beispiel: Der Bezirk lehne immer mehr Schüler*innen ab, die eine Schulbeförderung beantragt haben. Die Zahl habe sich verfünffacht. »Die Schäden sind schon merklich da«, sagt Dehne.

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