Rentenunrecht Ost kaum gelindert

Nur ein Bruchteil des Härtefallfonds geht an Reichsbahner & Co. Der Großteil der Mittel bleibt ungenutzt

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch Beschäftigte des DDR-Gesundheitswesens wurden bei der Rentenüberleitung benachteiligt.
Auch Beschäftigte des DDR-Gesundheitswesens wurden bei der Rentenüberleitung benachteiligt.

Ein vom Bund eingerichteter Härtefallfonds, mit dem unter anderem Rentenunrecht in Ostdeutschland gelindert werden sollte, hat nur einer äußerst geringen Anzahl von Betroffenen geholfen. Lediglich 2734 Angehörige bestimmter Berufsgruppen, deren in der DDR erworbene Rentenansprüche nach der Vereinigung teilweise nicht berücksichtigt worden waren, erhielten von der Bundesrepublik eine eher symbolische Einmalzahlung von 2500 Euro. In Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern verdoppelte sich der Betrag, weil die Bundesländer dem Fonds beitraten. Die anderen Ost-Länder verweigerten das.

Zugleich werden die für den Fonds bewilligten Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro bei Weitem nicht ausgeschöpft. Bewilligt wurden lediglich Zahlungen von insgesamt 162,54 Millionen Euro. Die verbliebenen 337 Millionen Euro fließen in den Bundeshaushalt zurück.

Der Härtefallfonds war im November 2022 von der damaligen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP aufgelegt worden; zur Abwicklung wurde eine Stiftung eingerichtet, deren Tätigkeit auf drei Jahre beschränkt wurde. Vorangegangen war ein jahrelanges Tauziehen zwischen Bund und Ländern. Seit Januar 2023 konnten Betroffene eine pauschale Einmalzahlung zur »Abmilderung empfundener Härten« beantragen. Neben Ost-Rentnern gehörten dazu auch Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge aus der früheren Sowjetunion. Die Frist zur Antragstellung endete im Januar 2024. Ende Juni hatte die Stiftung 99,97 Prozent der Anträge bearbeitet.

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Insgesamt hatten knapp 169 000 Menschen eine Entschädigung beantragt. Die Bundesregierung hatte die Zahl der Menschen mit berechtigten Ansprüchen auf bis zu 190 000 beziffert, darunter allein 50 000 bis 70 000 ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner. Von den gestellten Anträgen wurde mit 57 030 gerade einmal ein Drittel positiv beschieden. Das geht aus Zahlen hervor, die die Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt bei der Stiftung erfragte. Von den Bewilligungen entfielen 38 448 auf Kontingentflüchtlinge und 15 848 auf Spätaussiedler. Diese bekommen in Summe 108,8 beziehungsweise 44,2 Millionen Euro ausgezahlt, auf die Ost-Rentner entfallen 9,49 Millionen. Das sind 5,8 Prozent der ausgereichten Mittel und weniger als zwei Prozent des im Fonds insgesamt bereitgestellten Geldes.

Damit erhält nur ein Bruchteil der Betroffenen eine kleine Wiedergutmachung. Allein in Sachsen-Anhalt, wo 436 Anträge bewilligt wurden, hatte die Landesregierung die Zahl der potenziell Betroffenen auf mehr als 13 300 geschätzt. Die in Summe höchsten Zahlungen erfolgten mit gut sechs Millionen Euro an in der DDR geschiedene Frauen. Knapp anderthalb Millionen Euro entfielen auf ehemalige Mitarbeiter im Gesundheitswesen, 1,1 Millionen auf Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn, 550 000 Euro auf Angehörige der Deutschen Post sowie 22 500 Euro auf Balletttänzer und 10 000 Euro auf Bergleute. In Sachsen etwa erhielten nur drei frühere Kumpel eine Zahlung.

»Das ist eine erneute Geringschätzung ostdeutscher Lebensleistungen.«

Susanne Schaper
Linksfraktionschefin Sachsen

Probleme bei der Angleichung der Rentensysteme in Ost und West im Zuge der deutschen Vereinigung hatte es bei knapp 20 Berufsgruppen gegeben, außerdem bei geschiedenen Frauen, die benachteiligt sind, weil sie, anders als Frauen im Westen, keinen Versorgungsausgleich erhalten. Das langjährige erfolglose Ringen der Betroffenen führte meist über viele juristische Instanzen und im Fall der Geschiedenen bis zur Uno. Auch in der Bundespolitik stieß das Thema lange Zeit nicht auf offene Ohren. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) räumte schon vor Jahren ein, manche Betroffene seien deswegen »zutiefst gekränkt, manche auch wütend und ungerecht geworden«.

Die Bilanz des Härtefallfonds ist dazu angetan, solche Gefühle zu bestärken. Sie sei »mit ›mager‹ noch sehr wohlwollend beschrieben«, sagte Susanne Schaper, Chefin der sächsischen Linksfraktion, und kritisierte Vorgaben, denen zufolge überhaupt nur antragsberechtigt war, wer eine Rente bis zum Niveau der Grundsicherung erhält. Schaper sprach von einer »erneuten Geringschätzung ostdeutscher Lebensleistungen«. Monika Hohmann, Sozialexpertin der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt, sprach von einem »Flop« und einer »Demütigung« für Ost-Rentner. Sie verlangte, dass die nicht ausgereichten 337 Millionen Euro für weitere Ausgleichszahlungen genutzt werden. Ein »Runder Tisch Rentenungerechtigkeit«, an dem viele betroffene Gruppen mitwirken, hatte schon im Juni in einem Schreiben an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gefordert, in einer laut Koalitionsvertrag geplanten Rentenkommission auch über einen Gerechtigkeitsfonds zu verhandeln, um »dieses Unrecht zu beseitigen«.

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