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Jesidische Familie in den Irak abgeschoben

Trotz erfolgreicher Klage gegen abgelehnten Asylantrag wurden die Qassims »rückgeführt«

Flughafen Leipzig/Halle: Von hier startete am Dienstag ein Charterflug Richtung Bagdad, mit dem 43 Menschen abgeschoben wurden. Unter ihnen war eine jesidische Familie mit Bleiberecht.
Flughafen Leipzig/Halle: Von hier startete am Dienstag ein Charterflug Richtung Bagdad, mit dem 43 Menschen abgeschoben wurden. Unter ihnen war eine jesidische Familie mit Bleiberecht.

Mit einem Charterflug von Leipzig nach Bagdad sind am Dienstag 43 Menschen in den Irak abgeschoben worden. Doch anders als zunächst von den Behörden beteiligter Bundesländer behauptet, saßen im Flugzeug eben nicht nur alleinstehende, ausreisepflichtige Männer, von denen einige in der Vergangenheit straffällig geworden seien. In dem Flugzeug saß auch die jesidische Familie Qassim. Die Eltern von vier minderjährigen Kindern hatten gegen die Ablehnung ihres Asylantrags geklagt und vom Verwaltungsgericht Potsdam Recht bekommen – genau am Tag ihrer Abschiebung. Dies berichtete am Mittwoch der RBB.

Im Gerichtsbeschluss wird festgestellt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) bestehen. Die Familie lebte seit 2022 in Lychen, einer Kleinstadt in Brandenburg, nachdem sie vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach Deutschland geflüchtet war. Die Kinder im Alter von fünf, zwölf, 15 und 17 Jahren gingen in Lychen im Landkreis Uckermark zur Schule. Keines der Familienmitglieder ist straffällig geworden. Jesiden sind eine religiöse Minderheit, deren Mitglieder unter der Herrschaft des IS Opfer eines Völkermordes wurden.

Als die Entscheidung offiziell einging, waren die Qassims bereits an Bord des Flugzeugs, sie befinden sich nun im Irak. Im vergangenen Jahr hat Deutschland nach Angaben des Bundesinnenministeriums 816 Iraker abgeschoben. Einige kamen zur Durchführung ihrer Asylverfahren in andere EU-Länder, 615 Menschen wurden direkt in den Irak gebracht. Im Februar dieses Jahres wurden 47 Menschen von Hannover aus in den Irak abgeschoben. Am vergangenen Freitag startete zudem am Leipziger Flughafen ein Abschiebeflug nach Afghanistan.

Laut RBB erklärte das Brandenburger Innenministerium, bei der abgeschobenen Familie handele es sich um »vollziehbar ausreisepflichtige irakische Staatsangehörige«. Kurz vor der Abschiebung habe man mit dem Bamf Rücksprache gehalten, ob es Gründe gebe, die gegen die Abschiebung sprächen. »Dies wurde seitens des Bamf ausdrücklich verneint«, so das Innenministerium.

Das Verwaltungsgericht Potsdam teilte mit, der Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 20. April 2023, nach dem die Familie ausreisepflichtig war, sei erst am Dienstag um 10.30 Uhr bei Gericht eingegangen. Die Maschine hob um 10.52 Uhr ab, wie auf dem Portal Flightradar 24 zu erkennen war, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Die Kammer sei davon ausgegangen, dass trotz der Einleitung der Abschiebung ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, weil die Betroffenen die Transitzone des Flughafens Bagdad noch nicht verlassen hatten.

Die Sicherheitslage im Irak ist nach Jahrzehnten der Kriege und politischer Unruhen weiterhin angespannt. Große Gefechte gibt es derzeit nicht, es kommt aber weiterhin zu Angriffen von bewaffneten Gruppen, etwa den vom Iran unterstützten Milizen. 1,2 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben Vertriebene im eigenen Land und drei Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele Heimkehrer können ihre Grundbedürfnisse nicht allein decken. In einer Umfrage der Internationalen Organisation für Migration (IOM) von 2023 unter heimgekehrten Migranten erklärte fast die Hälfte der Befragten, dass sie innerhalb von sechs Monaten wieder aus dem Irak auswandern wollten.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte anlässliche des Abschiebeflugs nach Bagdad gegenüber »Bild« erläutert, er wolle »mehr Druck bei Rückführungen, mehr Deals mit Drittstaaten und eine Durchbrechung der Schleuser-Logik«. Mit Agenturen

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