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Während Tadej Pogacar dominiert, macht es Liane Lippert spannend
Bei den Männern führt kein Weg am Dominator vorbei, Vielfalt zeigt dagegen die Frankreich-Rundfahrt der Frauen
Die Tour de France der Männer geht dem Ende zu, die Frankreich-Rundfahrt der Frauen startet am Sonnabend. Und die Unterschiede könnten kaum größer sein. Das betrifft nicht nur die Strecke: 3338,8 Kilometer bei 51 555 Höhenmetern müssen die Männer absolvieren, 1165 und 17 240 sind es bei den Frauen. Der Col de la Madeleine ist eine Gemeinsamkeit: Der Alpengipfel war Teil der Königsetappe der Männer-Tour am Donnerstag und wird das Ziel der anspruchvollsten Etappe der Radsportlerinnen sein.
Ein Ziel verpasst
Gänzlich verschieden sind die sportlichen Konstellationen. Die 112. Tour de France wurde über zweieinhalb Wochen von einem Mann und dessen Team beherrscht. Tadej Pogacar gewann sowohl auf den kleinen Rampen wie der Mur-de-Bretagne als auch auf langen Anstiegen wie Hautacam. Der Schnellste war der Slowene auch im Bergzeitfahren, beim flachen Zeitfahren wurde er Zweiter. Ein Ziel verpasste er jedoch: Am legendären Mont Ventoux hätte er sich gern in die Siegerliste eingetragen. Sein Team tat auch viel, um Fluchtversuche zu verhindern, besonders der Kölner Nils Politt tat sich als Abräumer hervor.
Dieses Vorgehen löste den Zorn einiger Kollegen aus – und es passierte etwas sehr Seltenes: Als Pogacar und Politt eine Pinkelpause einlegten, nutzten das zwei, drei Dutzend Fahrer für Attacken. »Da gibt es wohl eine neue Regel im Radsport, die wir noch lernen müssen«, meinte Politt spöttisch. Ungeschriebenes Gesetz war bisher, dass bei einer Pinkelpause des Gelben Trikots Attacken ausgesetzt werden. Doch die Dominanz von Pogacar und seiner Equipe führt dazu, dass andere Fahrer alte Regeln brechen müssen, um Chancen auf einen Etappensieg zu haben. Der Sieger der Ventoux-Etappe kam denn auch aus der Fluchtgruppe der Aufmüpfigen. Diese Unruhe im Peloton könnte auf den letzten Etappen hilfreich für Jonas Vingegaard sein: Der zweimalige Toursieger war dem dreimaligen Triumphator Pogacar bislang klar unterlegen. »Ich hatte zwei schlechte Tage. So etwas passiert mir normalerweise nicht«, erklärte der Däne die Niederlagen mit großen Zeitrückständen im flachen Zeitfahren und am Anstieg von Hautacam.
Das Brutale der Tour
Im Schatten der beiden Favoriten wuchs eine neue Kraft heran: Florian Lipowitz. Dass sich der 24-Jährige zu Beginn noch etwas zurückgehalten hatte, führt Rolf Aldag aufs Lernen bei der ersten Tour zurück. »Er hat ein paar Tage gebraucht, um in diesen Tourrhythmus zu kommen, dieses Brutale der Tour, die engen Straßen, die Enge im Feld, auch die Zuschauer stehen viel enger«, erklärte der Head of Performance vom Red-Bull-Rennstall »nd«. In den Bergen, wo meist nur noch ein gutes Dutzend Fahrer um die ersten Plätze kämpfen, erwies sich Lipowitz aber als der Beste vom Rest. Gelegentlich versuchte der Gesamtdritte sogar, mit Pogacar und Vingegaard mitzugehen. Aber wichtiger für das Hauptziel Platz 3 in Paris war, dass abwechselnde Angriffe von ihm und seinem Teamkollegen Primoz Roglic andere Podiumsanwärter distanzierten. Den beiden Führenden können Roglic und Lipowitz nicht gefährlich werden, für die Sicherung des dritten Platzes reichte das Potenzial des ehemaligen Skispringers und des ehemaligen Biathleten bislang aber aus.
Bei den Frauen ist die Zahl der Favoritinnen größer. Die früheren Siegerinnen Demi Vollering und Katarzyna Niewiadoma wollen ihre Erfolge gern wiederholen. Die Italienerin Elisa Longo Borghini startet ebenso mit großen Ambitionen wie die Giro-Zweite Marlen Reusser aus der Schweiz. Zu beachten sind natürlich die Weltmeisterin und vormalige Tour-Zweite Lotte Koipecky aus Belgien und die französische Rückkehrerin Pauline Ferrand-Prevot, die auf Anhieb das schwere Rennen Paris–Roubaix gewinnen konnte.
Extraharte Rennen
Sie alle sind auf unterschiedliche Teams verteilt. Die Niederländerin Vollering fährt fürs französische Team FDJ, die Polin Niewiadoma für den deutschen Rennstall Canyon, Longo Borghini für die Frauenabteilung von Pogacars Emirates-Team und Reusser startet mit der deutschen Hoffnung Liane Lippert für Movistar. Ferrand-Prevot ist wiederum bei der Frauenfiliale von Vingegaards Visma-Team aktiv und Kopecky vertritt weiterhin die Farben des einst sehr dominanten SD-Worx-Teams. Als Geheimtipp auf den Sieg ist die Niederländerin Pauliena Rooijakkers unterwegs. Die Fahrerein vom Fenix-Team war im vergangenen Jahr schon Dritte bei der Tour und jüngts Vierte beim Giro.
»Dass die starken Fahrerinnen jetzt über mehr Teams verteilt sind, macht die Rennen dynamischer und interessanter«, beobachtete Titelverteidigerin Niewiadoma. Sie nimmt die gewachsene Leistungsdichte als Ansporn. Sie prognostiziert aber auch extraharte Rennen. »Viele Teams richten jetzt auch Höhentrainingslager nicht nur für die Leader, sondern auch die Helferinnen aus. Da werden viele supergut vorbereitet zur Tour kommen«, sagte sie »nd«. Vielfalt statt Dominanz und Superkräfte auch bei den Helferinnen versprechen eine äußerst spannende Tour de France Femmes.
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