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Liane Lippert fährt bei der Tour de France auf ein neues Level

Die Friedrichshafenerin hat bei der Frankreichrundfahrt das Siegen gelernt

  • Tom Mustroph, Rodez
  • Lesedauer: 5 Min.
Nicht nur mittendrin, sondern ganz vorn: Liane Lippert (r.) beim Etappensieg vor Lotte Kopecky in Gelb
Nicht nur mittendrin, sondern ganz vorn: Liane Lippert (r.) beim Etappensieg vor Lotte Kopecky in Gelb

Premiere bei der Tour de France der Frauen: Liane Lippert holte den ersten Etappensieg einer deutschen Radsportlerin bei diesem Rennen. Bei den Vorgängerrennen der Frauentour, etwa der Grande Boucle Feminine oder der Tour Cycliste Feminine, gewann unter anderem die Leipzigerin Petra Roßner acht Etappen. Ina-Yoko Teutenberg, die jetzt als sportliche Leiterin des Teams Lidl Trek im Begleitwagen sitzt, holte fünf Tagessiege, Judith Arndt vier. Insgesamt stehen 21 deutsche Etappensiege bei der Grande Boucle von 1995 bis 2003 in der Statistik, vier von 1987 bis 1991 bei der Tour Cycliste Feminine. Aber das war eben vor der großen Aufmerksamkeitswelle, die die neu ins Leben gerufene Tour de France Femmes auslöste.

Lipperts Coup wurde live im Fernsehen übertragen. An der Strecke standen trotz zeitweise heftigen Regens dicht gedrängt Menschen. Und auch im Ziel war die Aufmerksamkeit groß. Die 25-Jährige genoss es. Auch weil es für sie selbst eine Premiere war. »Ich glaube, wenn ich mir aussuchen kann, wo ich mal wieder gewinnen möchte, dann ist es bei der Tour de France«, verriet sie lachend »nd«. Denn mit dem Gewinnen hatte es die Friedrichshafenerin bisher nicht so sehr.

Einige Jahre fährt Lippert schon vorn im Peloton mit. Sie erreichte tolle Resultate, mehrere Podiumsplatzierungen bei Klassikerrennen zum Beispiel. Als Vierte der Weltmeisterschaft verpasste sie im vergangenen Jahr nur knapp eine Medaille. Wäre ihre Ausreißergruppe damals in Australien durchgekommen und hätten die Frauen genauere Informationen über die Abstände gehabt, dann hätte vielleicht Lippert als Sprintstärkste aus der Gruppe das Regenbogentrikot überstreifen dürfen. Damit fährt aber Annemiek van Vleuten gerade durch Frankreich. Sie ist die Überfrau des Radsports im letzten Jahrzehnt, hat seit der Vuelta 2021 alle großen Rundfahrten gewonnen.

Dass Lippert jetzt ihren ersten Etappensieg bei der Tour einfuhr, freut van Vleuten. Denn beide sind Teamkolleginnen bei Movistar. »Zum Feiern war leider nicht viel Zeit, weil Liane nach der Siegerehrung und den Pressekonferenzen so spät ins Hotel kam. Aber für sie ist es ein richtiger Durchbruch. Sie war oft nahe dran. Aber manchmal brauchst du auch das Gefühl, dass du in der Lage bist, das bis zum Ende durchzuziehen«, erzählte die Niederländerin »nd«. Sie ist fest überzeugt, dass bei ihrer Teamkollegin nun endlich der Siegesknoten geplatzt ist. »Das wird ihr Selbstbewusstsein geben«, meint sie.

Lippert ist ebenfalls überzeugt davon, jetzt ein neues Level erreicht zu haben. »Ich musste auf so eine Art von Sieg schon ziemlich lange warten. Klar, ich habe die Deutschen Meisterschaften gewonnen. Und ich freue mich auch, diesen Titel verteidigt zu haben und jetzt hier bei der Tour im Meistertrikot zu fahren, da wird man gut erkannt. Aber ein Etappensieg bei der Tour de France ist etwas ganz anderes«, sagte sie. Als Erkenntnis aus dem Bergaufsprint, den sie gegen die eigentlich explosiveren Lotte Kopecky und Silvia Persico gewann, formuliert sie: »Ich weiß jetzt, wie Siegen geht und kann dies in die nächsten Rennen mitnehmen. Ich hoffe, dass ich weiter gewinnen kann oder mindestens stabil unter denen bin, die um den Sieg kämpfen.«

Lippert ist in den anderthalb Jahren, die sie inzwischen an der Seite von van Vleuten bei Movistar fährt, als Fahrerin gereift. Man merkt, dass sie sich im Rennen mehr zutraut und auch besser die Momente wählt, in denen sich eine Attacke lohnt. »Natürlich ist es schön, gemeinsam mit Annemiek zu fahren. Ich kann mir vieles abgucken. Es nimmt auch einigen Druck von mir, weil sie ja da ist«, erzählte Lippert auf der Pressekonferenz.

Vom Fahrertyp her ergänzen sich beide: »Ich bin explosiver und sie ist stärker in den langen Anstiegen. Das prädestiniert sie für das Klassement bei großen Rundfahrten, während ich eher eine Klassikerfahrerin bin«, sagte sie. Lippert weiß aber auch, dass Grand-Tour-Klassements für sie in Zukunft zur Pflicht werden, nämlich dann, wenn die mittlerweile 40-jährige van Vleuten ihre Karriere beendet. Dann wird sie in die Führungsrolle bei Movistar schlüpfen. »Ich hoffe, wir können im Team dann eine gute Balance zwischen Klassikern und Rundfahrten finden«, blickt sie in die fernere Zukunft.

In der näheren Zukunft stehen noch mal Chancen bei den hügligeren Etappen der Tour für sie an. »Ich denke, da gibt es noch Gelegenheiten für mich«, sagte sie fröhlich. Und so langsam richten sich die Augen auch schon auf den Tourmalet. Dort werden am Sonnabend ganz neue Verhältnisse im Gesamtklassement geschaffen. Lippert tritt dann eindeutig in die Helferinnenrolle für van Vleuten zurück. »Hauptziel für uns ist und bleibt, erneut das Klassement mit Annemiek zu gewinnen«, verriet sie »nd«.

Den mythischen Berg hat sie sich bereits angeschaut. »Wir sind fast alle Etappen dieser Tour im Training abgefahren, natürlich auch den Tourmalet. Das ist ein schöner Berg. Es wird aber auch harte Arbeit für uns. Und ich bin froh, dass ich schon weiß, was auf uns zukommt«, sagte sie. Ihr deutsches Meistertrikot dürfte da lange neben dem Regenbogentrikot von van Vleuten leuchten. Und man kann nur hoffen, dass das Wissen, im nächsten Jahr selbst als Kapitänin ähnliche Berge hochzufahren, sie nicht blockiert, sondern vor allem beflügelt. Denn derzeit sind es ja vor allem die Frauen, die aus deutscher Sicht bei Rundfahrten in Frankreich für Furore sorgen.

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