Tauschbars im Ruhrgebiet: Biete Bildung, suche Wohnung

In nordrhein-westfälischen Tauschbars sorgen Ehrenamtliche für mehr Bildungsgerechtigkeit und wohnen im Gegenzug mietfrei

Viele der Kinder im Ruhrgebiet verlassen selten ihre gewohnte Umgebung. Die Bufdis in den Tauschbars bieten Lernförderung an und unternehmen mit ihnen Ausflüge in andere Lebensrealitäten.
Viele der Kinder im Ruhrgebiet verlassen selten ihre gewohnte Umgebung. Die Bufdis in den Tauschbars bieten Lernförderung an und unternehmen mit ihnen Ausflüge in andere Lebensrealitäten.

Mia, Vanja und Stella wollten immer etwas zurückgeben und Kindern helfen. Ganz genauso wie Tanja, Kim und Mieke. Sie und noch weitere Bundesfreiwilligendienstleistende (Bufdis) arbeiten als Bildungspatinnen in nordrhein-westfälischen Tauschbars. Dafür dürfen sie bis zu einem Jahr in einer eigens bereitgestellten WG mietfrei wohnen und bekommen obendrein ein Taschengeld von 420 Euro pro Monat.

Bildung im Tausch für mietfreies Wohnen also. Dahinter steckt ein ehrgeiziges Projekt, das für mehr Bildungsgerechtigkeit in angespannten Wohnvierteln, die es im Ruhrgebiet en masse gibt, sorgen soll. Der Verein »Tausche Bildung für Wohnen« organisiert dieses Projekt seit 2014. Zuerst wurde es in Duisburg-Marxloh getestet.

Mittlerweile gibt es weitere Tauschbars in Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Witten und Hamburg. Tanja, Kim und Mieke etwa arbeiten in Gelsenkirchen. Ihre Aufgabe: Sie helfen Kindern, in Schule und Alltag besser zurechtzukommen. Mal mit der klassischen Nachhilfe und Lernförderung, mal mit kreativen Aktionen; gerne auch mal mit einem Ausflug in andere Lebensrealitäten und Gegenden. Viele der Kinder verlassen sonst kaum ihre gewohnte Umgebung.

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Eine Firma der Stadt Gelsenkirchen fördert das Projekt, das es dort seit 2018 gibt, heißt es auf Anfrage bei der Stadt. Knapp 50 Kinder, die an fünf Tagen in der Woche die Tauschbar in Gelsenkirchen aufsuchen können, nehmen das kostenfreie Angebot derzeit wahr. Mit (Lern-)Erfolg, erklärt der Verein.
Standortübergreifend kämen die Kinder regelmäßig, würden selbstbewusster werden, sich öffnen und dabei spürbare Fortschritte beim Lernen und im sozialen Miteinander machen.

»Ich bin hier, weil ich gerne etwas zurückgeben möchte.«

Mieke Bildungspatin

»Ich bin hier, weil ich gerne etwas zurückgeben möchte«, sagt Mieke, die »viel privilegierter« aufgewachsen sei als ihre »Patenkinder«. Die Arbeit mit den Kindern mache ihr unheimlich viel Spaß. Mieke ist eine von 211 Patinnen und Paten, die seit der Eröffnung der ersten Tauschbar vor elf Jahren mehr als 53 000 Stunden Bildungs- und Freizeitangebote für über 4350 Kinder gestalteten und gestalten.

Seit drei Jahren gibt es eine Tauschbar auch in Essen-Katernberg, einem ehemaligen Arbeiter-Stadtteil im Norden der zweitgrößten Stadt im Revier. Sabrina Podschies leitet den Standort. »Er ist kinderreich, vielfältig und zugleich mit Herausforderungen im Bildungsbereich konfrontiert – wie viele andere Quartiere im Ruhrgebiet auch«, sagt sie. Die Tauschbar sei ein lebendiger Lern- und Begegnungsraum, der Kinder stärke, junge Erwachsene fördere und das Miteinander im Stadtteil belebe, meint Podschies.

Die klammen Ruhr-Städte sind froh um jede Hilfe. Gerade, wenn sie selbst nicht federführend tätig werden müssen, ihnen ein wenig Arbeit abgenommen wird und sie nur ein bisschen Geld geben müssen. Die Tauschbars sind am Gemeinwohl orientiert, durch Zuwendungen und Spenden finanziert.

In Katernberg engagieren sich Stella, Mia und Vanja. »Mia geht in der Lernförderung richtig auf – besonders wenn sie merkt, dass Kinder durch ihre Unterstützung Selbstvertrauen aufbauen«, sagt ihre »Chefin« Podschies. Stella liege die »emotionale Arbeit und die Begleitung der Kinder durch Krisen besonders«. Nach ihrem Jahr bei der Tauschbar will Mia Raumplanung studieren. WG-Erfahrung und jede Menge Eigenverantwortung wird sie wie ihre beiden Kolleginnen dann vielen »Erstis« voraus haben. Vanja wird eine Ausbildung bei Ikea machen und Stella will – passend zur Arbeit als Bildungspatin – Erzieherin werden.

Viele der Kinder im Ruhrgebiet verlassen selten ihre gewohnte Umgebung. Die Bufdis in den Tauschbars bieten Lernförderung an und unternehmen mit ihnen Ausflüge in andere Lebensrealitäten.
Viele der Kinder im Ruhrgebiet verlassen selten ihre gewohnte Umgebung. Die Bufdis in den Tauschbars bieten Lernförderung an und unternehmen mit ihnen Ausflüge in andere Lebensrealitäten.

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