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Slawisches Epos und eine bosnische Pyroshow in Bratislava
BallHaus Ost: Fußballreise mit Kulturprogramm
Letzte Woche übermannte mich die Sehnsucht nach Osteuropa, Ziele wurden Tschechien und die Slowakei. Montagabend ging es mit dem Automobil nach Třebíč, um am nächsten Morgen pünktlich 7 Uhr die besten Chlebíčky ganz Tschechiens zu verspeisen. Nach dem Weizenbrot, belegt mit einer dünnen Schicht Kartoffelsalat, viel Mayonnaise und allerlei Köstlichkeiten, besichtigten wir das Jüdische Viertel, den Jüdischen Friedhof und die St.-Prokop-Basilika, die allesamt die Unesco-Liste des Weltkultur- und Naturerbes zieren.
Weiter ging es nach Bratislava, wo am Abend die lokale Bolztruppe von Slovan die Ballakrobaten des HŠK Zrinjski Mostar aus Bosnien zur Qualifikation für die Champions League empfing. Nachdem wir der auf einem Berg gelegenen Gedenkstätte Slavín für im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sowjetsoldaten mit genialem Blick auf die Stadt sowie der lokalen Küche unsere Reverenz erwiesen hatten, trabten wir von unserem edlen Sporthotel zum Štadión Tehelné pole, um mit 18 000 Mitmenschen ein souveränes 4:0 der Heimmannschaft abzufeiern. Die vieltausendköpfige slowakische Fankurve sang herzerweichend und auch die rund dreihundert bosnisch-kroatischen Anhänger ließen sich nicht lumpen: Lustig brannte Pyrotechnik im Gästeblock, ein formidables »Ach wie schön« entwich unseren Lippen.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Der Mittwoch führte uns wieder zurück in die tschechische Provinz, wo wir im Schloss Moravský Krumlov den Slawischen Epos des tschechischen Malers Alfons Mucha ausgiebig erforschten. Nicht ohne Kitsch und nationalistischem Tamtam erzählt uns der Meister, dem Wahnsinn und Genie bereits in die Wiege gelegt wurden, in 20 großformatigen Gemälden die Geschichte der slawischen Völker – aus seiner Perspektive.
Nun ging es flink nach Odry, um am frühen Abend nach einer kleinen Taxifahrt ein dörfliches Pokalspiel in der Pampa zu bewundern, dessen wichtigster Teil die Verzehrung herrlicher Würste frisch aus dem Rauch wurde. Die grundgütigen Tschechenchecker wissen jederzeit, was durstige und hungrige Fußballreisende benötigen. Bepackt mit einer selbst gemixten Flasche Kofala-Rum schloss sich eine acht Kilometer lange Wanderung streng der lieblichen Oder entlang, bis uns im Hotel geistige Getränke die Engelein Muchas erblicken ließen.
Nun kann Polen kommen, dachten wir am Donnerstagmorgen. Doch bevor wir unsere Pferde bestiegen, zeigte ein Check der fußballerischen Nachrichtenlage, dass böse Mitmenschen den serbischen Fans den Besuch des Spiels FK Olexandrija vs. Partizan Belgrad kurzerhand verboten hatten. Katowice war der Austragungsort: Wegen des Kriegs in der Ukraine spielt Olexandrija im polnischen Exil. Wir blieben der Partie aus Solidarität mit den ausgesperrten serbischen Fans fern und spielten das Spiel im tschechischen Sandkasten nach, uns und zufällig vorbeischauenden tschechischen Minderjährigen, denen der Rotz aus der Nase lief, dabei trefflich zum Narren haltend. Partizan gewann, wie auch im richtigen Leben, das bekanntlich das falsche (im richtigen) ist. Meint der negative Dialektiker und Hammersatzphilosoph Theodor Adorno, womit alles gesagt ist.
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