»PBS Eons« zeigt, wie Info­tainment geht

Kluge Netz-Nutzer folgen dem Youtube-Kanal »PBS Eons«: Hier geht es um Erdgeschichte, Paläontologie und Evolution

Wer nicht guckt, bleibt dumm.
Wer nicht guckt, bleibt dumm.

Unser Lieblingsheld aus der Erdgeschichte? Wir hier sind ja schon immer große Fans dieser kleinen hörnchenartigen Viecher, von denen wir und Sie, liebe Lesende, abstammen und die es sich über zig Jahrmillionen in irgendwelchen Erdhöhlen bequem gemacht haben, um ihre Tage zu verschlafen, wo einem ja doch nur die Angeber-Dinos auf dem Köpfchen herumtrampeln würden, und um dann nächtens vorsichtig herauszuwuseln aus dem Versteck, während diejenigen schliefen, denen man heute nachsagt, sie hätten die Erde »beherrscht«. Nur weil sie besonders groß und klobig waren. Als der Asteroid auf die Erde krachte, an einem Frühlingstag vor 66 Millionen Jahren, guckten sie jedenfalls ziemlich doof aus der Wäsche, die Dinos, und ein paar Jahre später gab es von ihnen keine Spur mehr auf Erden.

»Wo itzund Städte stehen, wird eine Wiesen sein!« Teilt der Dichter Andreas Gryphius mit, auch er ein Enkel der kleinen Pelzigen, die nach dem Asteroideneinschlag auf sämtlichen Wiesen und in allen Wäldern nachwiesen, dass Kleinheit, Fixigkeit und diätetische Offenheit auf Dauer überlegene Qualitäten sind, sowie natürlich auch die absolute Superpower unserer Vorfahr*innen: das Sich-verbuddeln-Können. Einmal abgetaucht im rechten Moment, als nämlich der Meteorit einschlug, als Feuerstürme und Mega-Tsunamis kreuz und quer über die Erde rollten, haben Hörnchens es sich unterirdisch ein wenig gemütlich gemacht und anschließend fleißig Pilze gefuttert, die auf der postkatastrophalen Erde überall sprossen – voilà: Fertig ist der Weg zum Triumph, zu Nashorn, Nacktmull, Delphin, Hund, Katze, Spitzmaus, Makak, Lemur, Känguru, Delfin und nd-Redakteur.

Präsident Trump möchte PBS den Geldhahn zudrehen. Lachen wir über ihn!

Im Bescheidenen steckt oft viel Kraft, daher folgen klügere Hörnchen-Nachkommen dem Youtube-Kanal »PBS Eons«: Hier geht es um Erdgeschichte, Paläontologie und Evolution, und wer auch nur eine Folge gesehen hat, weiß genau, warum man keinen Fernseher mehr hat. Das kleine Format ist allen teuer produzierten, aufgepumpten, überinstrumentierten, langatmig erzählten Geschichten des in glanzvoller Trägheit sich dahinschleppenden TV-Infotainments klar überlegen: Brauche ich denn, wenn ich etwas über die Erdgeschichte erfahren will, den optimal animierten, pseudorealistisch fauchenden und perfekt ausgeleuchteten Dino? Brauche ich TV-Untermalmusik, die so gern auf blödest mögliche Weise »Spannung« zu erzeugen sucht, als ob das Thema an sich voll langweilig sei? Brauche ich zwei Minuten teuer produziertes »Entertainment«, ehe mal wieder ein Infoschnipsel fallen gelassen wird?

»PBS Eons« wird getragen von PBS, einem US-amerikanischen Netzwerk öffentlicher Sender, welchem Präsident Trump derzeit den Hahn abzudrehen versucht, da er sich als Asteroid aller Geistestätigkeit auf Erden begreift. Lachen wir über ihn! Bei »PBS Eons« machen sie alles richtig, was im schwerfälligen Teuerfernsehen falsch läuft; hier wird erkennbar ökonomisch gefilmt. Die Clips versuchen gar nicht erst, kinotauglich zu sein, mit glitzernden Schuppen, tödlichen Dino-Kämpfen und Orchester. Stattdessen erzählen die tollen Moderierenden: witzige, sympathische Menschen mit Ahnung, die sich für ihr Thema begeistern und mit denen man sofort ein Bierchen trinken gehen möchte – was einem ja nie im Angesicht der üblichen TV-Nasen passiert.

Jede Folge dauert um die zehn Minuten, und da der Wille zur Opulenz und zum Abendfüllenden fehlt, wird nicht das blödeste, pompöseste Thema ausgesucht, mit dem man das liebe Massenpublikum zu erreichen wünscht. Sondern eine wache Neugier ist spürbar, die auch im Nischenthema exemplarische Bedeutung erkennt und mal den Spaß an der Freude als Kategorie gelten lässt.

So nehmen wir Bildung in appetitlichen, gut gefüllten Häppchen zu uns und erfahren etwa, »How Humans lost their fur« (»Wie Menschen ihr Fell verloren«), »How Plate Tectonics Gave Us Seahorses« (»Wie Plattentektonik uns die Seepferdchen schenkte«), »When Mammals Only Went Out At Night« (»Als Säugetiere nur nachts rausgingen«), »The Island of the Last Surviving Mammoths« (»Die Insel der letzten überlebenden Mammute«), oder wir informieren uns, an Redaktionsmontagen ganz besonders wichtig: »Why Does Caffeine Exist?« (»Warum gibt es Koffein?«)

Das alles wird mit Schwung und größtmöglicher Präzision erzählt. Niemals hat man das Gefühl, für ein bisschen doof gehalten zu werden, sondern es ist, als ob ein paar eloquente Kumpelinnen und Kumpels spannend und flott von ihrem wissenschaftlichen Steckenpferd erzählen. Manchmal ist das Tempo etwas hoch, die gedankliche Spritzigkeit und Wendigkeit sind schon die des Tiktok-Jahrhunderts. Aber wer wird denn auch, als echter Hörnchen-Nachfahre, ohne sie auskommen wollen?

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