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Journalisten aus Gaza sollen rotieren dürfen

Internationale Medienhäuser warnen vor Verstummen von Berichterstattung

Bei israelischen Angriffen werden regelmäßig auch Journalisten getötet – mitunter sogar gezielt.
Bei israelischen Angriffen werden regelmäßig auch Journalisten getötet – mitunter sogar gezielt.

Vor der diese Woche geplanten Israelreise des deutschen Außenministers Johann Wadephul (CDU) fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) von der Bundesregierung mehr Einsatz zum Schutz palästinensischer Journalist*innen in Gaza. Diese berichteten seit über 660 Tagen Krieg unter unerträglichen Bedingungen, wie die deutsche Sektion der Medienorganisation am Mittwoch schrieb. Laut RSF wurden seit dem 7. Oktober 2023 über 200 Medienschaffende getötet, mindestens 46 davon im direkten Zusammenhang mit ihrer Arbeit.

RSF fordert die Bundesregierung auf, gefährdeten Journalist*innen bei der sicheren Ausreise zu helfen und hierzu deutlich gegenüber der israelischen Regierung aufzutreten. Auf EU-Ebene soll sich Deutschland für die Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit Israel einsetzen – denn der gegenseitige Vertrag ist an die Einhaltung der Menschenrechte geknüpft. Zudem müsse internationalen Journalist*innen endlich Zugang zum Gazastreifen gewährt werden, um die Berichterstattung nicht allein Palästinenser*innen aufzubürden.

Viele von ihnen arbeiten laut RSF unter akuter Lebensgefahr und chronischer Mangelversorgung. Die Journalistengewerkschaft der AFP verschickte kürzlich einen ähnlichen Hilferuf, wonach lokale Mitarbeitende vom Hungertod bedroht seien. Einen kurzen gemeinsamen Appell hatten dazu auch BBC News, Reuters, Associated Press und AFP veröffentlicht. RSF berichtet zudem von gleichlautenden »verzweifelten Hilfsanfragen« von vertrauenswürdigen Quellen aus Gaza.

Auch das International News Safety Institute (INSI), das sich weltweit dem Schutz von Journalist*innen in Konfliktgebieten widmet, schlug am Wochenende Alarm. In einem gemeinsamen Appell fordern 38 Medienorganisationen – darunter »Guardian«, »Financial Times«, »Washington Post« – Israel auf, lokale Journalist*innen samt Familien ausreisen zu lassen und internationalen Medien Zugang zu gewähren.

INSI bezeichnet den Schutz von Berichterstattenden in Kriegsgebieten als humanitäre Pflicht. In Gaza, so der Appell, drohe die Weltöffentlichkeit systematisch von den Ereignissen abgeschnitten zu werden.

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Auf der von RSF geführten Rangliste der Pressefreiheit steht Israel aktuell auf Platz 112, die Palästinensischen Gebiete auf Platz 163 von 180. Deutschland belegt Platz 11, gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückschritt um einen Rang – auch wegen des angespannten Klimas in Redaktionen zum Nahost-Konflikt.

Von den beiden großen deutschen Journalistengewerkschaften ist zum Gaza-Krieg auch nach 22 Monaten verheerender Zerstörungen und 60 000 Toten wenig Kritik zu hören – im Gegenteil: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sorgte am Mittwoch mit einer Warnung vor Manipulationsversuchen mit »Fotos von stark abgemagerten Kindern, deren Zustand jedoch offenbar nicht auf die Hungersnot in Gaza zurückzuführen ist« für Empörung in sozialen Medien. Anlass war eine Debatte über Bilder von Kindern aus Gaza, deren »Vorerkrankungen« angeblich von internationalen Medien verschwiegen worden seien – obwohl die Abgebildeten nachweislich auch Hunger litten.

Dass Israel die Menschen in Gaza systematisch verhungern lässt, haben am Dienstag auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen bekräftigt. Am selben Tag veröffentlichten 31 namhafte israelische Persönlichkeiten einen offenen Brief im »Guardian«. Darin heißt es: »Unser Land hungert die Menschen in Gaza zu Tode.«

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