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Chinas Unis an der Weltspitze

Die globale Wissenschaftslandschaft ist im Umbruch. Während der Westen spart, investiert China in Bildung und Forschung

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 5 Min.
In China studieren mittlerweile 60 Prozent der Schulabsolventen.
In China studieren mittlerweile 60 Prozent der Schulabsolventen.

Die globale akademische Welt wird gerade mächtig durchgeschüttelt. Auf negative Entwicklungen in Westeuropa und den USA trifft ein kometenhafter Aufstieg der chinesischen Forschung und Entwicklung. Während im Westen an Bildung und Forschung gespart wird, werden in China zahlreiche neue Universitäten gegründet und hochkarätige Professorinnen und Professoren aus aller Welt berufen.

Doch nicht nur an Kürzungen leidet die globale Wissenschaft, sondern auch an abgebrochenen Kooperationen und politischer Einflussnahme. Die EU hat zum Beispiel im Rahmen ihrer Sanktionen die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Russland eingestellt, was besonders für die arktischen Klimawissenschaften von großem Nachteil ist. Nun gibt es keine gemeinsamen Messfahrten ins Nordmeer mehr, um zu erforschen, wie viel Methan dort aus dem Meeresboden entweicht und in der Atmosphäre als hochpotentes Klimagas wirkt. Längere Methan-Messreihen aus dem arktischen Ozean wären dringend vonnöten, um die bevorstehende Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten abzuschätzen.

US-Präsident Donald Trump befindet sich seit seinem Amtsantritt im Januar auf einer Art Amoklauf gegen Universitäten und Klimaforschung. Zahlreiche Programme, die die Gefahren des Klimawandels untersucht haben, wurden abgewürgt. Selbst Projekten der medizinischen Statistik, die sich mit der geschlechtsspezifischen Wirkung von Medikamenten oder den besonderen Gesundheitsbelastungen von People of Color in den USA beschäftigten, wurden die Mittel gestrichen. Die Elite-Universität Harvard wird unter Druck gesetzt, keine ausländischen Studierenden mehr aufzunehmen, und Ende Mai gab die Regierung in Washington bekannt, künftig die Zahl der Studentenvisa für Chinesen drastisch reduzieren zu wollen.

Gute Gehälter und üppige Forschungsgelder ziehen Hochschullehrer aus aller Welt an.

Das dürfte auch für einige Hochschulen zum Problem werden, die in den USA gewöhnlich Studiengebühren nehmen. Für sie sind die 222 000 dort studierenden chinesischen Bürgerinnen und Bürger nicht zuletzt eine wichtige Einnahmequelle. Laut Statista waren es auf dem Höhepunkt im Studienjahr 2019/20 sogar noch knapp 373 000 Studierende aus China. Nach Angaben von Chris Glass, der am Boston Center for Higher Education lehrt und forscht, war bis zum März 2025 die Zahl der in den USA studierenden Ausländerinnen und Ausländer bereits um elf Prozent zurückgegangen, wobei der bisherige Rückgang bereits im Vorfeld der Amtseinführung Trumps erfolgte. Derweil widersetzt sich Harvard noch dem Druck und bekam dafür vor Gerichten Recht.

Während es bisher vor allem Inderinnen und Inder sind, die weniger Lust auf ein Studium in den USA verspüren, ist die Zahl der Studierenden aus China bis dato trotz allem kaum zurückgegangen, schreibt die in Hongkong erscheinende »South China Morning Post«. Das könnte sich aber in den nächsten Monaten ändern, denn viele Interessenten und deren Eltern sind aufgrund der sinophoben Stimmung in den USA alarmiert. Schon während der ersten Amtsperiode Donald Trumps hatte es eine sogenannte China-Initiative des Justizministeriums gegeben, mit der Hunderte aus China stammender Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen – meist grundlos – beschuldigt wurden, für die Volksrepublik zu spionieren. Manche verloren dadurch den Job oder zumindest Forschungsgelder. Vielen wurde der Ruf beschädigt.

Das und verlockende Angebote aus China haben dazu geführt, dass inzwischen mancher Spitzenforscher den USA den Rücken gekehrt hat. Schon vor Trumps Amtsantritt dachten laut einer Umfrage der Stanford Universität 61 Prozent der chinesisch-stämmigen Forscherinnen und Forscher darüber nach, die USA zu verlassen. Für die Volksrepublik kommt das zur rechten Zeit, denn dort schießen derzeit neue Unis wie Pilze nach einem warmen Regen aus dem Boden. Allein in Hongkongs Nachbarstadt Shenzhen, vor 45 Jahren noch wenig mehr als ein Bauerndorf, sind in den letzten fünf Jahren 20 neue Universitäten und Colleges gegründet worden. 2024 zählte die Volksrepublik über 3000 solcher Einrichtungen (USA 4298), an denen mehr als 40 Millionen junge Menschen studierten, darunter übrigens auch eine wachsende Zahl aus Afrika. Mittlerweile besuchen in China 60 Prozent eines Jahrgangs eine Hochschule. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 56, in den USA etwa 65 Prozent.

Gute Gehälter und üppige Forschungsgelder ziehen inzwischen Hochschullehrer aus aller Welt an. Die südkoreanische Zeitung »JoongAng Ilbo« berichtet zum Beispiel kürzlich auf der Plattform »X« von den beiden koreanischen Spitzenforschern Lee Ki-myung und Lee Young-hee – theoretischer Physiker der eine, Koryphäe auf dem Gebiet der Kohlenstoffnanoröhren der andere – die nach ihrer Pensionierung in ihrem Heimatland keine Möglichkeit zum Forschen hatten und von chinesischen Einrichtungen abgeworben wurden.

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Entsprechend seiner Forschungs- und Bildungsoffensive liegt China inzwischen nach verschiedenen Kriterien selbst vor den USA, die jahrzehntelang das Mekka der Wissenschaften waren. So hat die Volksrepublik in der neuesten Bestenliste des Centers for World University Rankings die USA überflügelt. Während 346 chinesische Institutionen unter den 2000 besten landeten, waren es aus den USA nur noch 319. In die Bewertung fließen der akademische und berufliche Erfolg der Absolventen, die Zahl der renommierten Ehrungen für die Lehrenden sowie die Zahl ihrer Publikationen und deren Zitationen ein.

Bereits 2018 hatte China die USA in der Zahl der wissenschaftlichen Publikationen überholt, wie seinerzeit das Fachblatt »Nature« ermittelt hatte. Ab 2022 hat es auch die Nase bei den meist zitierten Arbeiten vorn, was allerdings auch daran liegen könnte, dass chinesische Forschende eigene Landsleute überdurchschnittlich häufig zitieren. Das Bildungsministerium in Beijing ist derweil mit dem Erreichten noch nicht zufrieden und will bis 2030 zahlreiche Institute für Spitzenforschung in den Material- und Ingenieurwissenschaften einrichten und deren internationale Zusammenarbeit verstärken.

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