Unis in Berlin: Sparhammer mit Federung

Hochschulverträge verlangen von den Unis weniger Einsparungen als ursprünglich befürchtet

Die Grimm-Bibliothek der HU
Die Grimm-Bibliothek der HU

Ist der Kollaps abgewendet? Die neu ausgehandelten Hochschulverträge sehen für die Universitäten deutlich kleinere finanzielle Einbußen vor als zunächst befürchtet. »Wir konnten das Angebot aufstocken«, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz. »Schlaraffenland ist es nicht«, schränkte Staatssekretär Henry Marx (SPD) allerdings ein.

Das Verhandlungsergebnis sieht vor, dass die Basiszuschüsse nicht weiter sinken werden. Ab 2026 sollen sie sogar leicht steigen. Zudem plant der Senat, den Hochschulen einige finanzielle Lasten abzunehmen: So sollen die Hochschulen einen Zuschuss erhalten, um künftige Tarifsteigerungen zu finanzieren. Er soll 2026 31 Millionen Euro umfassen, um dann 2027 auf 62 Millionen Euro und 2028 auf 93 Millionen Euro anzusteigen.

Die Hochschulverträge regeln die Finanzierung der Universitäten. In ihnen ist festgehalten, in welcher Höhe der Senat die Hochschulen finanziert – und welche Leistungen die Unis dafür erbringen müssen. Sie werden für eine Dauer von vier Jahren abgeschlossen. Da es sich bei den aktuellen Beschlüssen um Nachverhandlungen der seit 2024 geltenden Hochschulverträge handelt, gilt das Vertragswerk also bis 2028. Die Hochschulverträge sollen den Universitäten Planungssicherheit über laufende Legislaturen hinaus bieten und ermöglichen dem Senat zugleich, trotz der grundgesetzlich festgeschriebenn Hochschulautonomie Einfluss auf das Lehr- und Forschungsprogramm der Wissenschaftseinrichtungen zu nehmen.

Auch an einer anderen Stelle soll es eine Entlastung geben, die die Hochschulen schon länger fordern: Das Land Berlin wird die Kosten für sämtliche Pensionen der Hochschulen übernehmen. »Damit entlasten wir sie in den kommenden drei Jahren um rund 120 Millionen Euro«, sagte Czyborra. Damit beende man einen »Berliner Einzelfall«.

»Ursprünglich waren noch weitere Einschnitte zu erwarten gewesen«, sagte Czyborra. »Das konnten wir verhindern.« Grund dafür dürfte die Kehrtwende sein, die der Senat beim Haushalt vollzogen hat. Waren ursprünglich im Doppelhaushalt 2026/2027 weitere Einsparungen vorgesehen, wächst der Haushalt nun dank Kreditaufnahme. Möglich gemacht hatten das gelockerte Schuldenregeln für die Länder.

Das kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die neuen Hochschulverträge weit von dem ursprünglich zugesagten Finanzierungsniveau entfernt bleiben. Die 2024 in Kraft getreteten Hochschulverträge sahen vor, dass die Zuschüsse für die Universitäten in jedem Jahr um jeweils fünf Prozent ansteigen sollten.

Doch diese Zusage nahm der Senat im Zuge der Haushaltskrise wieder zurück. Mehr noch: Für 2025 wurde den Hochschulen eine Sparauflage in Höhe von 145 Millionen Euro auferlegt. Seitdem sind die Berliner Unis im Krisenmodus: Kündigt ein Mitarbeiter oder geht in Rente, werden die Stellen derzeit nicht nachbesetzt, Professoren verbringen endlose Gremiensitzungen mit der Frage, an welchen Stellen gekürzt werden könnte.

»Es hat einen massiven Vertrauensbruch gegeben«, fasste Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität, die vergangenen Monate zusammen. »Wir halten es für falsch, dass in diesem Ausmaß gekürzt wird.« Man erkenne aber die haushälterischen Notwendigkeiten an. Auch deswegen habe man sich für »den konstruktiven Weg« entschieden.

Wenigstens dürfen sich die Unis darüber freuen, dass das neue Vertragswerk auch ihre Verpflichtungen zurückfährt. So sollen die Zielzahlen bei der Ausbildung von Lehrkräften sinken. Bestehende Studienplätze im Lehramt blieben aber erhalten, versicherte Wissenschaftssenatorin Czyborra. Zudem sollen die Hochschulen deutlich weniger Berichtspflichten nachkommen müssen.

Zumindest die großen Universitäten werden sich dagegen über einen weiteren Passus im neuen Vertragswerk weniger freuen: Sie sollen ihre Rücklagen abgeben. Im Rahmen eines »Solidarmodells« sollen die Rücklagen an kleinere Hochschulen umverteilt werden, die zumeist über keine eigenen verfügen. Mehrere kleine Hochschulen hatten zuletzt die Befürchtung geäußert, dass sie zahlungsunfähig werden könnten, wenn sie die Sparauflagen ungefedert umsetzen müssten. Im Gegenzug soll der Großteil der Bauvorhaben, für die diese Rücklagen bislang genutzt wurden, künftig von einer landeseigenen Baugesellschaft statt von den Hochschulen selbst finanziert werden.

Trotzdem dürfte es in den Hörsälen enger werden. »Wir werden gucken, wo wir über Flächeneffizienzen Kosten sparen können«, sagte Czyborra und schob nach, was sich hinter diesem verklausulierten Satz versteckt: »Wir werden mit weniger Fläche auskommen müssen.« Sie erhoffe sich, dass auf diese Weise auch die Energiekosten der Hochschulen sinken würden.

Es wird aber nicht bei weniger Unigebäuden bleiben: Trotz der milderen Sparvorgaben werden die Hochschulen wohl massiv Studienplätze abbauen müssen. »Die neuen Vorgaben werden dazu führen, dass manche Fächer nicht mehr in ganzer Breite angeboten werden«, sagte HU-Präsidentin von Blumenthal. Staatssekretär Henry Marx sprach von einer Größenordnung von 14 Prozent der bestehenden Studienplätze, die abgebaut werden müssten. Dabei sollen vor allem Fächer, die an mehreren Unis angeboten werden, und Studiengänge, die nicht voll ausgelastet sind, in den Blick genommen werden. »Wir werden aber auch Studienplätze abbauen müssen, für die es eine Nachfrage gibt«, kündigte von Blumenthal an.

Wo genau gekürzt werden kann, dazu soll eine Expertenkommission beraten. Sie soll zum Jahreswechsel ihre Arbeit aufnehmen. »Wir kommen von einer Zeit des Aufwuchses und wollen die Vielfalt und Breite auch erhalten«, sagte Marx. »Aber jetzt kommt eine Zeit, wo wir fokussieren und konzentrieren werden.«

Ob die Hochschulverträge am Ende so wie nun verhandelt auch in Kraft treten werden, ist noch unsicher. Vorher müssen noch das Abgeordnetenhaus und alle elf Hochschulen zustimmen. Laut Czyborra soll im September zunächst ein Beschluss im Senat erfolgen, anschließend soll das Abgeordnetenhaus über das Vertragswerk abstimmen.

»Schlaraffenland ist es nicht.«

Henry Marx (SPD)
Wissenschaftsstaatssekretär

Parallel sollen die Hochschulen bis Ende August signalisieren, ob sie den Hochschulverträgen zustimmen wollen. Ob wirklich alle Hochschulen zustimmen werden, ist keinesfalls sicher. In den vergangenen Wochen gab es auch vermehrt Stimmen, die forderten, dass die Unis gegen den Senat klagen sollten, um zu erreichen, dass die Gültigkeit der ursprünglichen Verträge anerkannt wird. Befeuert wurden diese Forderungen durch ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhaus, das den Hochschulen gute Chancen vor Gericht prophezeite.

Von Blumenthal betonte, dass die Frage einer Klage die individuelle Entscheidung der Hochschulleitungen sei. »Wir müssen uns darauf verlassen können, dass der verhandelte Vertrag auch so beschlossen und umgesetzt wird«, nannte sie als eine der Bedingungen für ihre Unterschrift. Auch in den kommenden Jahren werde man sich die Option einer Klage offenhalten, falls der Senat erneut vertragsbrüchig werden sollte. »Ganz im Ernst: Wenn der nächste Senat die Verträge erneut in Frage stellt, haben wir die Rechtsgutachten bereits«, sagte sie.

Bei der Opposition hält sich die Euphorie in Grenzen. Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, spricht gegenüber »nd« von einem »dramatischen Kürzungskurs«. »Eine wichtige Ressoruce von Berlin wird kaputtgespart«, sagt er. Es sei zwar zu begrüßen, dass es in den kommenden Jahren nicht zu weiteren Kürzungen komme – doch die hohen Sparvorgaben für das laufende Jahr blieben bestehen. Durch das hohe Tempo könne es keinen »strukturierten Prozess« des Sparens geben. Stattdessen werde zurzeit dort gespart, wo gerade Stellen freiwürden.

Schulze bezweifelt, dass die Zuschüsse zur Tarifvorsorge ausreichen werden. Mit dem zugesagten Geld könnten gerade mal Tarifsteigerungen von 2,5 Prozent finanziert werden. Dabei sei abzusehen, dass mit den Tarifverhandlungen deutlich höhere Kostensteigerungen für die Unis zu erwarten seien. Auch die angekündigte Expertenkomission komme zu spät. »Wenn die Kommission anfängt zu tagen, sind die Kürzungen schon durch«, so Schulze.

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