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Sabine Kräuter-Stockton: Vom Gerichtssaal auf die Straße
Die ehemalige Oberstaatsanwältin Sabine Kräuter-Stockton demonstriert anlässlich des Kanzlerbesuchs in Saarbrücken mit den »Omas gegen rechts«
Statt einer schwarzen Robe trägt Sabine Kräuter-Stockton am Freitagvormittag eine graue Warnweste. Als Staatsanwältin verfolgte Sabine Kräuter-Stockton jahrzehntelang Fälle von häuslicher und sexualisierter Gewalt. Als Aktivistin bei den »Omas gegen rechts« heißt ihr Kontrahent: Friedrich Merz.
Dieser ist auf Saarland-Besuch und wird von den »Omas gegen rechts« mit einer Demonstration empfangen. Für ihre Rede stellt sich Kräuter-Stockton auf eine umgedrehte Eurobox. Es regnet. Zwei Mitstreiterinnen sorgen mit aufgespannten Schirmen dafür, dass Kräuter-Stockton trocken bleibt – so gut es eben geht. Die Regenschirme mit »Oma gegen rechts«-Aufdruck gehören zu den Markenzeichen der Aktivistinnen im Nachruhestand. Sie kritisieren die soziale Ungerechtigkeit in Deutschland, die unmenschliche Asylpolitik der Regierung und deren Untätigkeit im Kampf gegen den Klimawandel. Stattdessen fordern die »Omas gegen rechts« eine Politik für mehr Toleranz und Vielfalt.
Seit ihrem Eintritt in den Ruhestand im Juli 2023 kann sich Kräuter-Stockton verstärkt der Verteidigung der Zivilgesellschaft widmen. Gleichzeitig bleibt sie eine gefragte Expertin in Sachen Sexualstrafrecht – sei es bei Medien oder einem Fachpublikum. Auch nach ihrer beruflichen Karriere ist Kräuter-Stockton Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes (DJB), kommentiert politische Entwicklungen, spricht auf Konferenzen.
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Durch ihren jahrzehntelangen Einsatz für eine Reform des Sexualstrafrechts in Deutschland und ihre Tätigkeit als Staatsanwältin gehört sie wohl zu den fachkundigsten Expert*innen auf diesem Gebiet. Dennoch gelang es ihr nicht, bei der Neuregelung des Paragrafen 177 StGB im Jahr 2016, die von ihr gewünschte »Nur Ja heißt Ja!«-Regel durchzusetzen; stattdessen begnügte sich das Merkel-Kabinett mit dem Prinzip »Nein heißt Nein«. Damit ist ein sexueller Übergriff nur dann strafbar, wenn ein Opfer diesem aktiv etwas entgegensetzt – verhält es sich etwa aus dem Schock heraus passiv, kann das Verhalten des Täters nicht geahndet werden. Deshalb setzen inzwischen 15 europäische Länder auf die von Kräuter-Stockton bevorzugte »Nur Ja heißt Ja!«-Regel.
Dass Deutschland sich nicht auf dieser langen Liste befindet, kritisierte die Feministin auch als gewähltes Mitglied der Expert*innengruppe GREVIO des Europarats, die sich mit der Umsetzung der Istanbul-Konvention in den Mitgliedstaaten befasst. Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
Für ihren Einsatz für Frauenrechte und ihren Kampf gegen sexualisierte Gewalt wurde die 1957 in Saarbrücken geborene Juristin 2019 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2023 würdigte der Saarländische Anwaltverein Kräuter-Stocktons europaweiten Einsatz für den Schutz von Frauen mit dem Vordenkerpreis. In ihrer Laudatio hob die saarländische Justizministerin Petra Berg (SPD) Kräuter-Stocktons Engagement in zahlreichen Gremien, Kommissionen, Koordinierungsstellen und Sonderdezernaten hervor.
Nur konsequent, dass sich die Feministin Kräuter-Stockton inzwischen bei den »Omas gegen rechts« engagiert, schließlich bezeichnen sich diese gerne als größte Frauenbewegung der Gegenwart.
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