Ukraine-Krieg: Die Ideen sind da, die Lösung nicht

Nach dem Treffen zwischen Selenskyj und Trump könnte ein wenig Bewegung in die Friedensfrage kommen

Stilsicher manövrierte sich Wolodymyr Selenskyj durch das Haifischbecken Weißes Haus. Der Erfolg ist dennoch überschaubar.
Stilsicher manövrierte sich Wolodymyr Selenskyj durch das Haifischbecken Weißes Haus. Der Erfolg ist dennoch überschaubar.

Wolodymyr Selenskyj hat den Besuch im Weißen Haus dieses Mal unbeschadet überstanden. Anders als noch im Februar musste sich der ukrainische Präsident, dieses Mal im Sakko, keine Fragen zu seiner Kleidung anhören. Auch die Grundstimmung war viel freundlicher als beim letzten Treffen. Fleißig bedankte sich Selenskyj bei Gastgeber Donald Trump für den Empfang. Elfmal in viereinhalb Minuten, zählte die »Washington Post«. »Das war das beste unserer Treffen«, resümierte der ukrainische Präsident im Anschluss.

Ein Durchbruch bei der Suche nach einer Lösung des Krieges in der Ukraine war es jedoch nicht, vielleicht aber ein kleiner wichtiger Schritt. Daran änderte auch die Delegation mehrerer europäischer Regierungschefs nichts, die Selenskyj zur Rückendeckung begleiteten. Die Eigendarstellung, unter anderem von Bundeskanzler Friedrich Merz, man habe wichtige Ansagen für den Friedensprozess machen können, halten keinem Faktencheck stand.

Trump diktiert das weitere Vorgehen

Trump hatte bereits im Vorfeld deutlich gemacht, dass keine der Kriegsparteien ihre Forderungen zu 100 Prozent durchsetzen werde. Anschließend betonte der US-Präsident, dass eine Rückgabe der Krim nicht zur Diskussion stehe. Auch ein Nato-Beitritt der Ukraine sei kein Thema, sagt Trump. Das sei für die Russen ein Reizthema, schon bevor Wladimir Putin in den Kreml einzog.

Faktisch hat Trump der Ukraine und den Europäern vorgelegt, wie er sich den Weg zu einer Konfliktlösung (nach Absprache mit dem Kreml) vorstellt. Neben der Gebietsfrage und der Nato-Mitgliedschaft betrifft das vor allem den Verzicht auf einen Waffenstillstand als Voraussetzung für Verhandlungen. Trump bestimmt damit die Richtung und macht Kiew und die Europäer zu Statisten, die nur begrenzt Forderungen einbringen und versuchen können, das Schlimmste zu verhindern. Das legen auch Quellen aus der Kiewer Präsidentenverwaltung nahe, die von sehr schweren Gesprächen zwischen Trump und Selenskyj sprechen und die Euphorie des ukrainischen Staatschefs widerlegen.

Gebietsabtretungen werden konkreter

Die Europäer sollen laut Trump durchaus Verständnis dafür gezeigt haben, dass Kiew die russisch besetzten Gebiete nicht zurückerobern wird. Die Ukraine, so eine mögliche Variante, könnte sich aus dem Donbass zurückziehen. Moskau würde dafür wiederum die Gebiete Sumy und Charkiw verlassen und das Feuer im Donbass einstellen. Laut »Wall Street Journal« soll sich Selenskyj nicht direkt gegen diesen Vorschlag gewehrt haben.

»Die Ukraine wird wieder leben, die Menschen werden nicht mehr überall sterben. Und sie wird viel Land zurückgewinnen«, behauptete Trump im Interview mit dem Fernsehsender Fox New. »Aber es ist Krieg, Russland ist eine mächtige Militärmacht, ob es Ihnen gefällt oder nicht.« Zuvor hatte der finnische Präsident Alexander Stubb mit einem historischen Vergleich für Aufsehen gesorgt. Sein Land habe zum Ende des Zweiten Weltkriegs Gebiete an die Sowjetunion abtreten müssen, konnte dafür aber seine Souveränität bewahren, auch indem es sich innen- wie außenpolitisch nicht gegen die Sowjetunion wandte. »Wir haben 1944 eine Lösung gefunden und ich bin überzeugt, dass wir auch 2025 eine Lösung finden können«, sagte Stubb in Washington.

Linke will Blauhelme für die Ukraine

Weiterhin weit entfernt von einer Lösung ist die Frage der Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Selenskyj hatte diese als vorrangig für einen Frieden mit Russland bezeichnet. »Es ist sehr wichtig, dass die Vereinigten Staaten ein starkes Signal geben und bereit sind für diese Sicherheitsgarantien.« Trump erklärte sich zwar dazu bereit, dass die USA Sicherheitsgarantien mittragen werden, Details ließ er aber offen. Er versicherte mit Blick auf die Ukrainer nur: »Wir werden ihnen sehr guten Schutz geben, sehr gute Sicherheit.« Der US-Präsident sieht die Europäer – namentlich Frankreich, Großbritannien und Deutschland – in der Pflicht, Truppen in die Ukraine zu entsenden. Washington selbst wolle hingegen den Luftraum absichern. Russland lehnt Nato-Soldaten in der Ukraine bisher kategorisch ab.

Linke-Chef Jan van Aken forderte im ZDF-Morgenmagazin, größer zu denken. »Sich zu verengen auf Nato-Soldaten oder Nato-Sicherheitsgarantien, das ist zu wenig«, so van Aken. Das mache den Krieg »nur größer und nicht kleiner«. Stattdessen solle über die Stationierung von UN-Blauhelmsoldaten in der Ukraine nachgedacht werden. Auch der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich forderte im Deutschlandfunk eine Abkehr vom nationalstaatlichen Denken. Für eine Friedenslösung müssten die Vereinten Nationen und die OSZE beteiligt werden, so Mützenich.

Putin-Selenskyj-Treffen bald möglich

Zuvor könnte es zu einem direkten Treffen zwischen Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin kommen, auf das der Ukrainer seit einiger Zeit drängt. Beide seien zuletzt besser miteinander zurechtgekommen, als er dachte, sagte Trump zu einem möglichen Treffen, das innerhalb der kommenden zwei Wochen stattfinden könnte, so zumindest die Hoffnung.

Aus Moskau kam bereits ein etwas unerwartetes Ja, allerdings mit Bedingungen. »Alle Kontakte unter Beteiligung der Staatschefs müssen äußerst sorgfältig vorbereitet werden«, schränkte Außenminister Sergej Lawrow im Staatsfernsehen ein. Ukrainischen Medien zufolge scheint auch Kiew auf Zeit spielen zu wollen. Insbesondere Präsidialamtsleiter Andrij Jermak soll zögern und auf eine Absage Putins setzen, um neue Sanktionen zu fordern und Druck auf Moskau auszuüben, heißt es. Allerdings könnte Trumps Druck zu direkten Gesprächen größer sein.

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