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Sogenannte Kollateralschäden
Peter Steiniger zu Israels totaler Kriegsführung im Gazastreifen
Bomben unterscheiden nicht zwischen Unbeteiligten und Kämpfern. Und Israels Streitkräfte nehmen bei ihrem Krieg im Gazastreifen wissentlich eine erschreckend hohe Zahl an toten Zivilisten in Kauf. Das verdeutlicht ein Leak aus einer Datenbank des israelischen Militärgeheimdienstes, über das der britische »Guardian« berichtet. Nach den Zahlen der Geheimdienstler vom vergangenen Mai, nach 19 Monaten Krieg, waren fünf von sechs Todesopfern auf palästinensischer Seite weder der Hamas noch dem islamischen Dschihad zuzurechnen.
Bis heute sind bei israelischen Angriffen nach Angaben der palästinensischen Behörden mehr als 62 000 Menschen getötet und fast dreimal so viele verletzt worden, während Gazas Gesundheitswesen faktisch eliminiert wurde. Eine unbekannte Anzahl an Leichnamen von Männern, Frauen und Kindern liegt noch unter dem Schutt der Häuser begraben. Auch ihre Schicksale verschwinden hinter den gespenstischen Zahlen.
Der Anteil der zivilen Todesopfer macht den Gaza-Krieg zu einem der brutalsten Konflikte der modernen Zeit überhaupt. Das ist kein Krieg gegen Terroristen, sondern Terror gegen die Zivilbevölkerung. Dass das israelische Militär dies abstreitet, ist durchschaubare Propaganda und wahrscheinlich übertreiben die Daten der Geheimen die Zahl getöteter feindlicher Kämpfer eher noch. Erst schießen, dann fragen: Nach Berichten von Insidern aus der Armee wurden zivile Opfer regelmäßig nachträglich als feindliche Kämpfer deklariert.
Die politische Verantwortung für diese Barbarei als Antwort auf das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 trägt Israels Regierung mit Benjamin Netanjahu an der Spitze. Die Fakten erhärten die Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen den Politiker, der für seinen Machterhalt über Leichen geht – auch die der in der Hamas-Gewalt befindlichen Geiseln. Der von seiner ultrarechten Koalition mit religiös-extremistischen Nationalisten strapazierte Alleinvertretungsanspruch Israels als jüdischer Staat beleidigt Juden in Israel und weltweit, die Massenmord, Vertreibung und Landraub ablehnen. Netanjahu selbst schürt den Antisemitismus, sät Hass und Gewalt in der Region für weitere Jahrzehnte.
Das Drama, das sich vor den Augen der Welt in Gaza abspielt, ist ein klarer und massenhafter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht nach den vier Genfer Konventionen. Im Krieg verpflichtet es zur Achtung von Würde, Leben und Gesundheit derjenigen, die nicht an Kampfhandlungen mitwirken, die in Gefangenschaft oder unter Besatzung geraten sind. Wer Israels Kriegsführung durch Waffengeschäfte fördert, trägt für Tod und Leid der palästinensischen Bevölkerung Mitverantwortung.
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