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Camp in Sachsen: Eine neue Landlust von links
Das Treffen »bäuerlicher und ländlicher Kämpfe« will progressive Bauern und Landbewohner vernetzen
Die Hecke trennt Welten. Auf der einen Seite wird ein Maisfeld abgeerntet, das bis zum Horizont reicht; Trecker ziehen haushohe Hänger und enorme Staubwolken hinter sich her. Hinter der Hecke erstreckt sich eine Weide, auf der verstreut junge Obstbäume stehen. Wenn sie groß sind, sollen sie Schatten spenden und verhindern, dass der Wind in den immer trockeneren Sommern die Fläche ausdörrt. Hier, sagt Bente Schreiber, »sieht man den Gegensatz zwischen industrieller und bäuerlicher Landwirtschaft unmittelbar«.
Diese Woche stehen auf der Weide keine Schafe, sondern Zelte. Sie gehören zu einem Treffen »Bäuerlicher und ländlicher Kämpfe«, dessen schönes Kürzel »BäLäKä« lautet und das bis Sonntag am Rand von Taucha bei Leipzig stattfindet. Es ist die bundesweit erste Veranstaltung dieser Art, sagt Schreiber. Vorbereitet wurde sie von Menschen, die teils in Organisationen wie der Jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL), dem Emanzipatorischen Landwirtschafts-Netzwerk ELAN oder der Gewerkschaft FAU aktiv sind. Thema und Bezeichnung seien inspiriert von der Veranstaltung »Rencontres des Luttes Paysannés et Rurales« (LPR), die 2023 im französischen Bure stattfand. »Dort waren auch viele Menschen aus dem deutschsprachigen Raum«, sagt Schreiber: »Das zeigte, dass es auch dort Bedarf und Interesse gibt, sich mit dem Thema zu beschäftigen.«
Bei dem Treffen soll es um linke Antworten auf die vielfältigen Probleme und Krisen der Landwirtschaft und ländlicher Räume gehen: die zunehmende Industrialisierung und das Höfesterben; unattraktive Arbeitsbedingungen; der Flächenkauf durch Großinvestoren, der Bodenpreise explodieren lässt; fehlende Infrastruktur bei Nahverkehr oder medizinischer Versorgung, dazu die Herausforderungen des Klimawandels. All das erzeuge »Perspektivlosigkeit« vor allem bei jungen Menschen, heißt es in der Einladung. Gerade für Berufsanfänger*innen scheint die Lage düster. Schreiber, die gelernte Landwirtin ist, träumt von einem eigenen Milchviehherde, müsste aber allein für den Flächenerwerb eine Summe aufbringen, die sich »durch Landwirtschaft nicht refinanzieren lässt«, wie sie sagt.
Eingeladen zu dem Treffen sind laut der Einladung »Menschen, die in ländlichen Räumen leben, in der Landwirtschaft arbeiten oder sich dafür interessieren« und die sich zugleich progressiven und emanzipatorischen Ideen verbunden fühlen. Sie sind in Deutschland weniger sichtbar, als es sich Engagierte wie Bente Schreiber wünschen würden. Während in den Ländern des globalen Südens linke Bewegungen oft von Bäuer*innen getragen würden, kümmere sich die linke Szene in Deutschland zu wenig um den ländlichen Raum und die dort lebenden und arbeitenden Menschen. »Viele sehen die Dörfer als rechte Hochburgen an, wo alle AfD wählen und die für linke Ideen verloren seien«, sagt Schreiber: »Dieses Bild wollen wir ändern und Menschen stärken, die schon jetzt solidarische Strukturen in Dörfern aufbauen.«
»Viele sehen die Dörfer als rechte Hochburgen an, die für linke Ideen verloren sind. Das Bild wollen wir ändern.«
Bente Schreiber BäLäKä-Mitorganisatorin
Die Wahrnehmung des ländlichen Raums schwankt zwischen Extremen: auf der einen Seite ein kitschiges Landlust-Idyll, das mit der Realität dörflichen Lebens wenig zu tun hat, auf der anderen Seite das Vorurteil, wonach auf dem Dorf Rechtsextreme das Sagen hätten. Tatsächlich ist die rechte Landnahme mancherorts weit vorangeschritten; völkische Siedler etwa breiten sich auch in Teilen Sachsens aus und übernehmen teilweise Einrichtungen und Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand aufgegeben wurden. Auch bei den Bauernprotesten, die wenige Monate nach dem Treffen im französischen Bure auch in Deutschland ausbrachen, wurde sich vielfach nicht klar von Rechtsextremen abgegrenzt.
Zutreffend ist aber weder das eine noch das andere Klischee. Die ländliche Region bei Leipzig sei nicht zuletzt deshalb für das Camp ausgewählt worden, weil sich dort zeige, wie vielfältig ländliches Leben sein könne, sagt Schreiber. So gibt es eine ungewöhnliche Dichte an Betrieben der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi). Auch rund um andere Großstädte wie Berlin zeige sich, dass der ländliche Raum auch ein Ort sein könne, um linke Projekte zu verwirklichen, die in den Metropolen wegen der hohen Mieten nicht mehr umsetzbar seien, sagt Schreiber: »Ein Ziel unseres Treffens ist es, Interesse am und Lust auf das Landleben zu wecken.«
Bis Sonntag gibt es dazu Vorträge und Gesprächsrunden, außerdem Exkursionen und Workshops, so zur Reparatur von Treckern oder zum Schafscheren. Auch Anwohner umliegender Dörfer sind eingeladen, etwa zur Nutzung einer mobilen Saftpresse. Die Themen der Veranstaltungen reichen von Bodenpolitik über Agroforst bis zum Bau von Trockentoiletten; es geht um Bodenreformen und mehrfach auch um die Bauernkriege vor 500 Jahren. Die extreme Rechte stelle diese als »Aufstand des kleinen Mannes gegen die da oben« dar, sagt Schreiber. Eine linke Perspektive sieht in den Kämpfen von 1525 aber vor allem die Verteidigung von Gemeineigentum, sogenannten Allmenden. Und das, sagt Schreiber, »ist für uns heute wieder interessant.«
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