Moritzhof in Berlin-Pankow: Mähen gegen den Mangel

Jugendfarm befürchtet Wegfall von Fördermitteln

  • Leonie Hertig
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf dem Moritzhof kümmern sich Kinder um Schafe und andere Tiere.
Auf dem Moritzhof kümmern sich Kinder um Schafe und andere Tiere.

Der Moritzhof ist am Samstag voll. Gefeiert wird das 26-jährige Bestehen der Jugendfarm. Es gibt Bogenschießen, Bratwürstchen und natürlich: Tiere. Meerschweinchen, Kaninchen, Hühner, Ziegen, Schafe und ein Kater wohnen auf dem Gelände. Die Verantwortung für die Tiere übernehmen Kinder und Jugendliche, unterstützt von vier pädagogischen Teilzeitkräften. »Der Moritzhof ist ihr Ort, den sie selber mitgestalten«, sagt Birgit Blank zu »nd«. »Unser Motto ist: Wir nehmen Kinder ernst«, stimmt Stephan Metzner, Geschäftsführer des Vereins Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e.V., zu.

Obwohl der Moritzhof seit mehr als zwei Jahrzehnten existiert, wird er vom Bezirk Pankow nur projektfinanziert für jeweils zwölf Monate ausgestattet. »Wir haben den Antrag rausgeschickt, aber es ist unklar, wie es weitergeht«, so Metzner. »Es ist absurd, wir sind kein Projekt. Wir existieren seit 26 Jahren und benötigen eine langfristige Finanzierung und rechtliche Zusicherung. Viele private Förderer hadern, ob sie uns fördern möchten, da die Ungewissheit ihnen zu heikel ist.«

Privates Engagement ermöglicht die Arbeit der Jugendfarm zu einem großen Teil. »Der Bezirk finanziert realistisch die Hälfte unserer Ausgaben. Er deckt unsere Personalkosten und ein paar Sachkosten ab. Die andere Hälfte ist durch Ehrenamt, Spenden und fleißige Helfer möglich.« Metzner sieht die Jugendfarm als unterfinanziert. »Nur damit wir die Qualitätsstandards des Senats erfüllen könnten, benötigten wir 150 000 Euro mehr.«

»Für viele Kinder ist das hier etwas wie ein zweites Zuhause.«

Birgit Blank Moritzhof

Teil des Problems ist die Kategorisierung des Moritzhofs. »Auf dem Papier sind wir eine Jugendfreizeiteinrichtung, aber natürlich funktionieren wir als Jugendfarm anders.« Dazu gehöre etwa, den Moritzhof nicht aufgrund von Krankheit eine Woche schließen zu können. Die Tiere müssen täglich gepflegt, gefüttert, herausgelassen und wieder eingeschlossen werden. Eigentlich benötigte die Jugendfarm einen Tierpfleger, aber den könne sie als Einrichtung für Kinder- und Jugendarbeit nicht finanzieren.

Zwar sei der Moritzhof in Gesprächen mit dem Bezirk und dem Senat und gehe davon aus, weiterfinanziert zu werden, so Metzner. Aber unter welchen Bedingungen das im kommenden Jahr erfolge, sei unklar. »Wir gehen davon aus, dass wir von Kürzungen betroffen sein werden.« Besonders belaste ihn, wie kurzfristig die Entscheidung getroffen werde. »Wir haben September und wissen überhaupt nichts. Wir haben Arbeitsverträge und Ausgaben, durch die Ungewissheit lastet ein riesengroßes Risiko auf den Schultern des Trägers.«

Selbst für das laufende Jahr existiert dieses Risiko. Momentan wartet der Moritzhof noch auf einen Zuwendungsbescheid für Gelder für 2025. Dazu kommt die Entscheidung des Senats, von der Tarifsteigerung von fünf Prozent nur zwei Prozent zu übernehmen. »Die Forderung ist berechtigt, Angestellte nach Tarif zu bezahlen«, so Metzner. Doch Träger haben nicht die Mittel, die neuen Kosten zu tragen und ihre Arbeit so fortzuführen. Entweder sind sie gezwungen, die Arbeitsstunden der Angestellten zu kürzen, um sie nach dem neuen Tarif bezahlen zu können, oder sie müssen unter Tarif bezahlen. »Weniger Arbeitsstunden führen zu weniger Öffnungszeiten. Wir kürzen uns auf die Jahre immer weiter weg«, erklärt Metzner.

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Das liege an der Kosten-Leistung-Rechnung der Bezirke. Denn diese bezahlen Träger nach erbrachten Leistungen, auch genannt »Produkten«. Jugendarbeit sei auch ein »Produkt«, so Metzner. Wenn eine Mitarbeiterin mit einem Kind interagiert, bietet sie eine »Leistungsstunde«. Würden die »Leistungsstunden« durch kürzere Öffnungszeiten reduziert, kann der Träger weniger »Produkte« bieten. Das hat weniger Fördergelder in der Zukunft zur Folge.

Derzeit hält sich der Moritzhof durch das Engagement junger Menschen im Freiwilligen Ökologischen Jahr beziehungsweise im Bundesfreiwilligendienst, durch pädagogische Praktikant*innen und viele ehrenamtlicher Helfer*innen über Wasser. Diese kümmern sich vormittags um die Tiere und bieten Kitas und Schulklassen Führungen durch den Hof. Nachmittags kommen die Schulkinder, um auf dem Moritzhof Zeit zu verbringen. »Wir hören häufig von Eltern, dass sie erstaunt sind, wie begeistert Kinder hier Aufgaben machen, die sie zu Hause blöd finden«, erzählt die Mitarbeiterin Birgit Blank. Das liege daran, dass am Moritzhof alles auf Freiwilligkeit basiert und den Kindern ermöglicht wird, Verantwortung zu übernehmen. Kein Wunder, dass sich jeden Tag durchschnittlich 50 Kinder im Moritzhof aufhalten. »Für viele Kinder ist das hier etwas wie ein zweites Zuhause. Wenn sie älter werden, versuchen wir, ihnen durch Ehrenamt weiter Zugang zum Moritzhof zu ermöglichen«, sagt sie. Aber nicht nur das. Während der Feier sieht man viele Gesichter, die selbst vor 26 Jahren Teil des Moritzhofs waren und heutzutage ihren eigenen Kindern diesen Ort zeigen.

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