Haushalt in Berlin: Zwischen Rekordausgaben und Kahlschlag

Linke kritisiert schwarz-roten Haushaltsentwurf

Proteste gegen Kürzungen im Sozialbereich zu Beginn des Jahres
Proteste gegen Kürzungen im Sozialbereich zu Beginn des Jahres

Dass Haushaltspolitik nicht immer leicht verständlich ist, liegt in der Natur der Sache. Die neuesten Volten der Berliner Finanzpolitik dürften dagegen selbst versierte Haushälter vor Herausforderungen stellen: Auf der einen Seite sieht der Entwurf für den Doppelhaushalt für die Jahre 2026 und 2027, den der schwarz-rote Senat vor zwei Wochen an das Abgeordnetenhaus übermittelt hat, ein Rekordniveau an Ausgaben vor: Weit mehr als 40 Milliarden Euro sind im Kernhaushalt verplant, dazu kommen Ausgaben in Nebenhaushalten und Sondervermögen. Insgesamt 12 Milliarden Euro mehr wird die Hauptstadt in den kommenden zwei Jahren verausgaben. Auf der anderen Seite gibt es in fast jedem Ressort größere Kürzungen, die bei den Betroffenen die Alarmglocken schrillen lassen.

»Ich kann Ihnen versprechen: Das Chaos wird nicht kleiner, sondern größer«, leitete Tobias Schulze, Vorsitzender der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, am Donnerstag seinen Vortrag ein. Die Sozialisten im Parlament hatten Vertreter von freien Trägern aus dem Sozialbereich, Kultur und Wissenschaft zu einem »Haushaltsgipfel« geladen. Man beobachte eine »finanzpolitische Achterbahnfahrt«, warnte Schulze.

Mit Krediten werde Geld in den Haushalt »gekippt«, sagte Schulze. Zwar hatte auch die Linkspartei gefordert, alle Spielräume zu nutzen, um neue Kredite aufzunehmen. Doch diese Forderung sei immer damit verbunden gewesen, die Einnahmesituation zu verbessern. Der schwarz-rote Entwurf sehe aber keine »strukturellen Einnahmeerhöhungen« vor. »Wenn man Kredite aufnimmt, muss man auch sagen, wie man sie finanzieren will«, sagte Schulze. Doch daran scheitere der Senat.

Dabei gebe es, so Schulze, durchaus Möglichkeiten, die Einnahmen des Landes zu erhöhen. So könnte etwa die Grunderwerbsteuer erhöht werden. Auch die Gebühren für Anwohnerparken seien viel zu niedrig. Und eine Möglichkeit bliebe aktuell noch ganz ungenutzt: Seit 1997 erhebt der Bund nicht mehr die Vermögensteuer, deren Erträge den Ländern zugutekamen, obwohl das Vermögensteuergesetz noch immer in Kraft ist. Aktuell lasse die Linkspartei prüfen, ob Berlin den Bund per Klage zwingen könnte, die Steuer wieder zu erheben, kündigte Schulze an.

Martin Hoyer, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands Berlin, blickt gespalten auf den schwarz-roten Haushaltsentwurf. »Es ist kein sozialer Kahlschlag zu erkennen«, hielt er dem Papier zugute. Doch sorglos ist er deswegen nicht. »Es gibt keine riesigen Kürzungen, aber es gibt Kürzungen«, sagte er. Beispielsweise bei den Mitteln für soziale Arbeit zur Gewaltprävention, die der Senat nach den Silvesterkrawallen zum Jahreswechsel 2022/2023 eingerichtet hatte. Sie sollen nun ersatzlos gestrichen werden. »Präventive Unterstützung kann spätere Folgen vermeiden«, warnte Hoyer.

Dass sich Projekte nicht dauerhaft auf eine Finanzierung verlassen könnten, ziehe sich durch den gesamten Haushaltsentwurf. »Eigentlich müssten wir gucken, wie wir eine Sozialplanung für diese Stadt machen können«, sagte Hoyer. Doch der Senat wähle einen anderen Ansatz: »Es wird immer zuerst auf das Geld und dann auf die Bedarfe geguckt«, sagte er. Dabei müsste man die Mittel danach verteilen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. »Nur wenn wir wissen, wo wir hinwollen, können wir gucken, wie wir möglichst kostengünstig da hinkommen«, so Hoyer.

»Gute Arbeit ist kein Ziel der Regierungskoalition mehr.«

Lucas Krentel Verdi

Besondere Sorge bereite ihm die Ankündigung des Senats, Tarifsteigerungen bei freien Trägern nicht vollständig zu refinanzieren. »Die Tarifmittel sind der entscheidende Punkt, der sich durch die ganze Thematik zieht«, sagte Hoyer. Der Senat habe den Trägern angekündigt, nur zwei Prozent der fünfprozentigen Tarifsteigerungen zu übernehmen. Die Träger würden so gezwungen, entweder ihre Mitarbeiter nicht nach Tarifvertrag zu bezahlen oder ihre Leistungen zu kürzen.

Für Lucas Krentel von der Gewerkschaft Verdi steht dahinter auch politisches Kalkül: »Die Interessen der Beschäftigten werden gegen die Interessen der Bürger ausgespielt«, sagte er. Die Tariferhöhungen würden durch höhere Preise etwa an den Theaterkassen refinanziert. Gleichzeitig würden vor allem im Kulturbereich Tür und Tor für prekäre Beschäftigungsverhältnisse geöffnet. Lehrkräfte an Musikschulen etwa würden trotz eines einschlägigen Gerichturteils nicht fest angestellt. »Gute Arbeit ist kein Ziel der Regierungskoalition mehr«, so Krentel.

Ein wenig Zeit bis zum endgültigen Beschluss bleibt noch: Zunächst wird das Abgeordnetenhaus über den Haushaltsentwurf beraten. Die abschließende Abstimmung ist für den 18. Dezember geplant.

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