Sapad-2025-Manöver: Aufmarsch in Osteuropa

Russland und Belarus starten ihr Sapad-2025-Manöver. Nato-Anrainer lassen gleichzeitig ihr Militär trainieren.

Schutz vor dem Russen: Polen macht seine Grenze wegen des Sapad-Manövers dicht. Wiedereröffnung unklar.
Schutz vor dem Russen: Polen macht seine Grenze wegen des Sapad-Manövers dicht. Wiedereröffnung unklar.

Es ist wieder Zeit für neue Provokationen und Abschreckungsmaßnahmen im Osten Europas. Wenn in Belarus bis 16. September Russland und Belarus ihr planmäßiges gemeinsames Militärmanöver Sapad-2025 (Westen 2025) abhalten, werden die Horch-und-Guck-Abteilungen der Nato genau verfolgen und notieren, was Moskau und Minsk denn auf dem Truppenübungsplatz von Borisow östlich der belarussischen Hauptstadt (und an anderen Orten) denn so veranstalten.

Offiziell, so erklärten es die Verteidigungsministerien beider Länder, geht es um die Verteidigungsfähigkeit, worum auch sonst. Die Sapad-Übung sei ein geplantes Manöver, dass seit Monaten vorbereitet wurde, hieß es aus Minsk. Ähnliche Manöver finden jedes Jahr reihum an anderen Orten statt, nach Sapad kommt Wostok (Osten), Zentr (Zentrum) und Kawkas (Kaukasus). 2025 also wieder im Westen, in Belarus.

2021 beim Sapad-Manöver Einmarsch in die Ukraine geübt

Die jetzige Übung steht auch deshalb unter Beobachtung, weil beim vorigen Sapad-Manöver unter anderem das Absetzen von Fallschirmjägern und das tiefe Vordringen in feindliches Territorium geübt wurde. Fünf Monate später fiel Russland nach genau diesem Muster in die Ukraine ein.

Neben der Verteidigung (Drohnenabwehr, Verteidigungskampf und Feindvernichtung) soll es in den kommenden Tagen auch um die »Planung der Anwendung« russischer taktischer Atomwaffen und neuer Mittelstreckenraketen wie Oreschnik gehen. Geschossen werden soll dabei selbstverständlich nicht, wird offiziell versichert.

Weder Minsk noch Moskau haben bisher verkündet, wie viele Soldaten sich in den kommenden Tagen durch den belarussichen Wald ackern. Klar ist nur, 200 000 wie noch 2021 werden es nicht sein. Belarus sprach zunächst von 13 000 eigenen Militärs, kündigte später an, die Zahl halbieren zu wollen. Der litauische Militärgeheimdienst schreibt auf Facebook von 30 000 beteiligten Soldaten, darunter 8000 in Belarus selbst (davon der Großteil Belarussen) und 4000 weitere in Kaliningrad. Der Rest dürfte sich demnach auf Truppenübungsplätzen im russischen Kernland oder auf Marineschiffen irgendwo auf Ost- und Barentsee aufteilen.

Polen macht die Grenze dicht

Rhetorisch sind die Visiere auf jeden Fall schon einmal scharfgestellt. Wie üblich beschwor die Nato eine Gefahr für ihre »Ostflanke« herauf. Bereits Ende Mai kündigte Belarus deswegen an, die Übung weiter ins Landesinnere zu verlegen, sprach von Dialogbereitschaft und Abbau von Spannungen. Doch sei Belarus bereit, auf »jegliche Provokation während der Übung« zu reagieren, machte Verteidigungsminister Viktor Chrenin am Freitag klar.

Die Nato beließ es bisher bei der üblichen gespielten Empörung und dem Aufmarsch eigener Soldaten. Insbesondere das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum wenige Tage vor dem Manöver brachte neue Spannungen. Warum die Drohnen nach Polen flogen, ist weiter ungeklärt. Von gezielter Provokation bis hin zur ukrainischen Luftabwehr als Grund wird weiterhin über alle Szenarien spekuliert. Zuletzt brachte US-Präsident Donald Trump ein Versehen Moskaus ins Spiel. »Es könnte ein Fehler gewesen sein«, sagte Trump am Donnerstag zu Journalisten.

Ob Provokation oder Fehler: Warschau machte zu Manöverbeginn die Grenze zu Belarus dicht. Und zwar erst einmal unbefristet, wie Polens Innenminister Marcin Kierwiński sagte. Man werde die Situation fortwährend analysieren, so Kierwiński. Während Moskau erzürnt auf die Grenzschließung reagierte, glaubt man in Minsk an eine baldige Wiedereröffnung.

Andere Nachbarländer wie Litauen und Lettland wollen die Grenze weiter offenhalten. Zugleich wurden Schutz und Überwachung verstärkt. In Vilnius geht man davon aus, dass es in den kommenden Tagen vermehrt zu kleineren Provokationen entlang der Grenze kommen wird. Die Gefahr eines russischen Überfalls sieht man aber nicht.

Nato führt eigene Manöver durch

Ansonsten reagiert die Nato, wie man es von einem Kriegsbündnis erwartet. Polen zieht 40 000 Soldaten an den Grenzen zu Belarus und Russland zusammen, schließlich habe man sich »monatelang vorbereitet«. Im Klartext bedeutet das, Polen und Litauen halten ihre eigenen Manöver ab. In Litauen trainieren 17 000 Nato-Soldaten im September, Sprengkörper zu finden, Flugzeuge zu fliegen und Verletzte zu versorgen.

Auch zur See will die Nato Stärke demonstrieren. Insgesamt elf Länder (darunter Norwegen, Großbritannien, Schweden und Finnland) durchwühlen die Gewässer »vom Polarkreis bis zu den Küsten der Ostsee«, schreibt die Joint Expedition Force über ihr Manöver »Tarassis«. Nach Eigenangaben soll es sich um die »ehrgeizigste Live-Aktivität« der multinationalen Eingreiftruppe seit ihrer Gründung 2014 handeln. Man wolle üben, »kollektiv zu handeln« und auf »eine Bedrohung zu reagieren«, lässt die Pressestelle wissen. Alles im Sinne der Verteidigung, versteht sich.

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