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Keine Exportgenehmigung für israelisches U-Boot – oder doch?

Bundesregierung und Hersteller Thyssenkrupp widersprechen sich

  • Ruth Rohde
  • Lesedauer: 5 Min.
Das 2014 an Israel gelieferte U-Boot »Tanin« auf der Werft in Kiel. Die »Drakon« ist möglicherweise größer. Das legen Amateuraufnahmen nahe.
Das 2014 an Israel gelieferte U-Boot »Tanin« auf der Werft in Kiel. Die »Drakon« ist möglicherweise größer. Das legen Amateuraufnahmen nahe.

Anfang August filmte ein Urlauber ein U-Boot in Begleitung der Bundespolizei vor der Küste Rügens und postete das Video auf Facebook. Am nächsten Tag war sein Profil für knapp 24 Stunden gesperrt, berichteten Medien. Es handelte es sich um die »Drakon«, ein U-Boot der Dolphin-Klasse, gebaut von dem Kieler Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Es ist das sechste U-Boot dieser Art, das für Israel bestimmt ist. 

Der britischen Rechercheorganisation Shadow World Investigations (SWI) und »nd« liegt nun ein auf 15. August 2025 datiertes Schreiben von Anwält*innen der Bundesregierung vor, in dem diese bestreitet, eine Ausfuhrgenehmigung für das U-Boot erteilt zu haben. Die Angabe deckt sich auch mit einer Antwort auf eine schriftliche Frage der Linke-Bundestagsabgeordneten Lea Reisner von Mitte August. 

Juristische Prüfung

Eine Woche zuvor hatte der Vorstand des Rüstungskonzerns allerdings auf einer außerordentlichen Hauptversammlung noch behauptet, eine solche Genehmigung liege vor. Danach gefragt hatte auf der Versammlung die Organisation Facing Finance – zuerst berichtete darüber die »Taz«. 

Zur Ausfuhr von Kriegswaffen wie dem U-Boot braucht es in Deutschland zwei Genehmigungen: eine nach Kriegswaffenkontrollgesetz und eine nach dem Außenwirtschaftsgesetz. Die Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz liegt für die »Drakon« seit über einem Jahr unbestritten vor. Könnte TKMS mit der Aussage zu der angeblich auch vorliegenden anderen Genehmigung auf der Hauptversammlung ein Fehler unterlaufen sein?

Facing Finance hatte konkret nach der noch fehlenden Genehmigung gefragt. Möglicherweise eine zu komplexe Frage für eine schnelle Antwort. Doch sitzt während der Hauptversammlung hinter den TKMS-Vorstandsmitgliedern ein Back-Office mit Jurist*innen, die jede Frage der Aktionär*innen genau prüfen und darauf achten, dass die Antworten des Vorstands auf die Aktionärsfragen nicht falsch sind, erklärt Luca Schiewe von Facing Finance. Gegenüber SWI und »nd« bestätigte Thyssenkrupp auch den Wortlaut der Antwort zum Vorliegen der Genehmigung.

Deutscher Kriegszuschuss

Die Bundesregierung hatte Anfang August angekündigt, bis auf Weiteres keine Genehmigungen mehr für Rüstungsexporte zu erteilen, die von Israel im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Dass Israel auch mit U-Booten vorgeht, scheint der schwarz-roten Koalition unwahrscheinlich – der Beschuss durch Marineschiffe ist jedoch bekannt geworden. Der Politökonom und Autor Shir Hever hält es jedenfalls für möglich: Spear UAV, ein Rüstungskonzern aus Israel, habe in einem Test eine Viper-Rakete mit einer Kamera von einem U-Boot aus gestartet und dann das Nummernschild eines Autos in sechs Kilometern Entfernung lesen können. 

Politisch ist das Thema brisant – nicht nur wegen Israels Kriegsführung in Gaza, die von einer wachsenden Zahl an Expert*innen als Völkermord eingestuft wird. Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass Israel das einzige Land in der Region mit Atomwaffen ist. Die U-Boote sollen damit bestückt werden können. Der Kauf der »Drakon« – und damit Israels Kriegsführung insgesamt – wird vom deutschen Staat mit 135 Millionen Euro bezuschusst.

Zuvor ebenfalls von TKMS an die Marine in Israel gelieferte Korvetten sind nach Angaben der dortigen Streitkräfte bereits 2023 zum Beschuss Gazas vom Meer aus im Einsatz gewesen. Im Juni zitierte die Associated Press einen Augenzeugen, dem zufolge Israel von nicht näher bestimmten Kriegsschiffen aus auf Hilfesuchende geschossen habe. Die Armee bestritt jedoch, verantwortlich zu sein. Bei dem Vorfall starben mindestens 31 Menschen.

Die Berliner Rechtsanwältin Beate Bahnweg vertritt in mehreren Eilverfahren einen deutschen Palästinenser mit Familie im Gazastreifen. Mit dem Arzt will sie erreichen, wegen Israels Völkerrechtsverletzungen grundsätzlich keine Exportgenehmigungen für Kriegswaffen nach Israel mehr zu erteilen. Dem »nd« sagte Bahnweg, dass dies auch den Export des »Drakon« betrifft: »Diese Ausfuhr sowie die anderer Rüstungsgüter nach Israel ist rechtswidrig und wir werden dagegen rechtlich vorgehen.«

Ermittlungen gegen Netanjahu und Vertraute

In Israel ranken sich zudem mehrere Skandale um die Beschaffung der Kriegsschiffe und U-Boote aus Deutschland. Seit 2022 beschäftigt sich eine Untersuchungskommission mit den Vorgängen. Die Liste der Vorwürfe ist lang, doch im April 2025 wurde die Arbeit der Kommission vorläufig eingestellt. Fünf hochrangige, von der Untersuchung betroffene Personen hatten behauptet, ihre Rechtsvertretung sei unzulässig eingeschränkt.

Unter den Verdächtigen ist auch Premierminister Benjamin Netanjahu. Ihm wurde von der Kommission vorgeworfen, bei dem U-Boot-Deal mit TKMS Entscheidungsroutinen umgangen und damit die Sicherheit sowie die Außenbeziehungen des Staates Israel gefährdet zu haben. Dennoch entschied sich die Staatsanwaltschaft im September 2024 gegen ein Ermittlungsverfahren gegen den Premier. 

2021 waren in Israel bereits Strafverfahren gegen mehrere Verdächtige unter anderem wegen Korruption eröffnet worden, darunter sind auch Netanjahus ehemaliger Büroleiter und ein ehemaliger Verkaufsagent von Thyssenkrupp in Israel. In Deutschland kam es nie zu einem Verfahren, eine Korruptionsermittlung der Staatsanwaltschaft Bochum wurde 2020 eingestellt

Im vergangenen Juli wurde jedoch bekannt, dass Netanjahu im Rahmen der israelischen Marinekäufe aus Deutschland seinerzeit die Entlassung eines engen Merkel-Beraters gefordert hatte. Dieser wollte die Deals an die Einstellung des Siedlungsbaus im illegal von Israel besetzten Westjordanland sowie die Zulassung eines palästinensischen Staates neben Israel knüpfen. Die Bedingungen ließ die damalige Bundesregierung schlussendlich fallen.

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