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Militäraufmarsch an der Nato-Ostflanke
Jörg Kronauer über mehrere Manöver an der West- und Ostflanke der Nato
Auch Manöver können ambivalent sein. Das zeigt sich aktuell bei Arctic Light 2025, einer zehntägigen Kriegsübung mehrerer europäischer Nato-Staaten, die am Freitag zu Ende geht. Arctic Light wird auf und vor Grönland abgehalten. Es soll die Fähigkeiten der dänischen Streitkräfte testen, die dänische Insel gegen Bedrohungen jeder Art zu verteidigen. Die da wären? Na klar, man erinnert sich: US-Präsident Donald Trump will Grönland den USA einverleiben, und er schließt dabei den Einsatz militärischer Gewalt nicht aus. Dass die dänische Manöverleitung – das ist durchaus ungewöhnlich – die US-Streitkräfte nicht in die Übung eingebunden hat, dafür aber die Streitkräfte Deutschlands und Frankreichs, spricht Bände. Nein, niemand plant da im Detail einen Defensivkrieg um Grönland gegen die USA, doch symbolisch bekräftigt das Manöver: Dänemark ist, unterstützt von seinen europäischen Verbündeten, zum Kampf um die Abwehr von Angriffen auf seine Insel und damit auf seine territoriale Integrität bereit.
War’s das? Auf keinen Fall. Kein Nato-Manöver – und sei es auch ein europäisches – im Hohen Norden, das nicht einen ganz real denkbaren Kriegsgegner im Visier hätte, und zwar Russland. Bislang ging es bei Kriegsübungen in nördlichen Gewässern zumeist darum, ein Durchbrechen russischer U-Boote von ihrem Heimathafen auf der Halbinsel Kola durch das europäische Nordmeer in den Nordatlantik zu verhindern: Gelangten sie dorthin, dann könnten sie die militärischen Nachschubrouten aus Nordamerika nach Europa attackieren.
Jörg Kronauer ist Redaktionsmitglied bei www.german.foreign-policy.com.
Mit Arctic Light wird nun aber auch Grönland selbst zum Manövergebiet. Warum? Weil der Klimawandel das Eis der Arktis schmelzen lässt und das dortige Meer schon in wenigen Jahren zumindest im Sommer befahrbar sein wird – und damit wird es für militärische Operationen zugänglich. Mit Abstand größter Arktisanrainer ist Russland. Wollen die EU bzw. ihre Mitgliedstaaten dagegenhalten, sind sie auf Grönland angewiesen. Der Einstieg in die Militarisierung der dänischen Insel ist gemacht.
Was dem Hohen Norden da unter Umständen bevorsteht, das kann man erahnen, wenn man sich die Manöverlage an der Nato-Ostflanke ansieht. Aktuell macht vor allem Sapad 2025 Schlagzeilen, die große russisch-belarussische Kriegsübung, die am Dienstag zu Ende ging. Sie dient der Erprobung von Kampfhandlungen, die im Kriegsfalle an der belarussischen Westgrenze zu erwarten wären. Auf der anderen Seite der Grenze, in Polen, probten parallel rund 30 000 Nato-Soldaten den Krieg. Etwas weiter nördlich, in Litauen, halten etwa 17 000 Soldaten das Manöver Thunder Strike ab. Noch weiter nördlich, in Estland sowie in Finnland, führen Nato-Staaten die Kriegsübung Tarassis 25 durch.
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Russland wiederum hat einen Teil von Sapad 2025 in das Gebiet Murmansk und in die Barentssee verlegt. Damit wird, von Polen bis Nordnorwegen, an der kompletten Ostflanke der Nato ein Waffengang durchexerziert. Und die Manöverzone beginnt sich auszuweiten, wie Arctic Light 2025 zeigt – zunächst auf Grönland, wo sich mit der Pituffik Space Base auch ein US-Militärstützpunkt befindet. Die Einbeziehung weiterer Teile der Arktis und des arktischen Ozeans, der immer länger eisfrei sein wird, ist nur eine Frage der Zeit.
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