EU: »Digitale Kolonie«

In Europa wird die Abhängigkeit von den großen US-Konzernen beklagt

Jupiter ist Europas erster Exascale-Supercomputer – das heißt, er wird mindestens eine Trillion Berechnungen pro Sekunde durchführen können.
Jupiter ist Europas erster Exascale-Supercomputer – das heißt, er wird mindestens eine Trillion Berechnungen pro Sekunde durchführen können.

Eine Frage von Macht und Ohnmacht ist die künstliche Intelligenz auch für die EU, die gegenüber den USA und China bislang abgeschlagen ist. Für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist daher »Europas Moment der Unabhängigkeit« gekommen. In ihrer jüngsten Rede zur Lage der Europäischen Union nannte sie es die »Mission« der EU, »die Kontrolle über die Technologien zu übernehmen, die unsere Volkswirtschaften antreiben werden«. Denn diese Kontrolle dürfe nicht abgegeben werden in einer Welt, in der »die Großmächte entweder ambivalent oder offen feindselig eingestellt sind«.

Wer die KI kontrolliert und die technologischen Maßstäbe setzt, macht die Konkurrenten zum einen von sich abhängig und kassiert zum anderen die Erträge. »Die KI wird die Einkommensungleichheit zwischen den Ländern verschärfen und den fortgeschrittenen Volkswirtschaften unverhältnismäßig zugutekommen«, urteilt der Internationale Währungsfonds (IWF).

Für die EU geht es daher darum, die »fortgeschrittene Volkswirtschaft« zu sein, die die Maßstäbe setzt. Davon ist sie allerdings weit entfernt: »25 Jahre nach Beginn des kommerziellen Internetzeitalters muss sich die EU einer unangenehmen Wahrheit stellen: Trotz einiger bemerkenswerter Ausnahmen sind ihr digitales Ökosystem und ihre Innovationswirtschaft hinter die USA zurückgefallen, während China ebenfalls seinen Marktanteil ausbaut«, schreibt Raluca Csernatoni von der Brussels School of Governance. Neben den dominierenden digitalen Plattformen – Online-Suchmaschinen, App-Stores, soziale Netzwerke, Cloud-Hyperscaler – werde ein Großteil der kritischen digitalen Infrastruktur der EU – Rechenzentren, Unterseekabel, Halbleiter – mittlerweile von ausländischen Akteuren betrieben oder bereitgestellt. Dies, so Csernatoni, bedrohe Europas »technologische Souveränität«. Ein Papier europäischer Hightech-Expert*innen nennt die EU gar eine »digitale Kolonie« der USA.

Eine kleine Hoffnung gibt es derzeit allerdings: Der niederländische Chip-Riese ASML hat sich für 1,3 Milliarden Euro beim französischen KI-Start-up Mistral eingekauft. Mistral gilt als Hoffnungsträger bei der Entwicklung großer Sprachmodelle und bietet mit LeChat eine Alternative zu OpenAIs KI-Bot ChatGPT. Größter Fürsprecher der Firma ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er rief die Bürger Frankreichs sogar öffentlich zum Download von LeChat auf. Durch die jüngste Finanzierungsrunde ist Mistral nun mit knapp zwölf Milliarden Euro bewertet und damit zur wertvollsten KI-Firma Europas geworden. Allerdings wird der Wert von direkten US-Wettbewerbern wie OpenAI, Anthropic und Elon Musks xAI auf Hunderte von Milliarden Dollar geschätzt.

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