Trumps trügerische Westbank-Ansage

Trumps Ankündigung, er werde die Annexion des Westjordanlands verhindern, ist nicht zu trauen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Bagger arbeitet an der Straße 60 im besetzten Westjordanland, über einem Straßenschild, das die Richtung zu israelischen Städten wie Tel Aviv und Jerusalem anzeigt.
Ein Bagger arbeitet an der Straße 60 im besetzten Westjordanland, über einem Straßenschild, das die Richtung zu israelischen Städten wie Tel Aviv und Jerusalem anzeigt.

Urplötzlich spielt Donald Trump die Rolle eines US-Präsidenten, dem wirklich am Schicksal der Palästinenser gelegen ist. »Ich werde es Israel nicht erlauben, das Westjordanland zu annektieren«, sagte er im Weißen Haus. »Es reicht. Es ist Zeit, aufzuhören.« Sollte das eine Warnung sein an Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, bevor der am Freitag seine Rede hielt vor der UN-Vollversammlung? Angesichts der Sprunghaftigkeit Trump’scher Entscheidungen ist Skepsis angesagt, zudem sprechen die Fakten eine deutliche Sprache.

Bislang hat sich noch jede US-amerikanische Regierung mit dem israelischen Besatzungsregime über die Westbank, Ost-Jerusalem und den Gazastreifen arrangieren können. Initiativen, über den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bindende Entscheidungen gegen die Besatzung zu treffen, vereiteln die USA als ständiges Mitglied regelmäßig mit ihrem Veto. Ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von 2024, wonach die israelische Besetzung der palästinensischen Gebiete illegal sei und Israel schnellstmöglich und vollständig aus den Gebieten abziehen müsse, ignoriert Washington geflissentlich.

Die auf dem Gutachten basierende Resolution ES-10/24 wurde am 18. September 2024 mit großer Mehrheit von der UN-Generalversammlung angenommen. Darin wird Israel aufgefordert, sich binnen eines Jahres aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückzuziehen, während die UN-Mitgliedsstaaten Waffenlieferungen an Israel einstellen sollten. Die USA haben dagegen gestimmt. Wie ernst müssen Trumps Worte also genommen werden? Und weiß auch Netanjahu von Trumps Entschlossenheit, die er zunächst nur vor Journalisten bekannt gegeben hat?

Die USA sind Israels Patron und Lebensversicherung, unterstützen das Land vorbehaltlos – wirtschaftlich, politisch und militärisch. Regierungen in Washington sorgen so mit dafür, dass den Palästinensern grundlegendste Rechte vorenthalten und das Besatzungsregime aufrechterhalten werden kann. Ohne die Waffenhilfe aus Washington wären die Kriege, die Israel seit Oktober 2023 führt, wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Das gilt vor allem für den mörderischen Krieg im Gazastreifen, für den ein ununterbrochener Munitionsnachschub unabdingbar ist. Dieser stand nie wirklich infrage.

Netanjahu will nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Donald Trump entscheiden, ob seine rechtsextreme Regierung die Karte der formalen Annexion zieht, die schon mehrfach angedroht wurde. Gut möglich, dass der israelische Premier diesen Schritt derzeit noch für nicht opportun einschätzt, zumal Donald Trump mit einem Friedensplan lockt: Sein Sondergesandter Steve Witkoff hatte am Mittwoch in New York von einem 21-Punkte-Plan für Frieden im Nahen Osten und im Gazastreifen gesprochen. Trump hat diesen dann am Rande der UN-Generaldebatte einer Gruppe arabischer Staaten und muslimisch geprägter Länder wie der Türkei schmackhaft zu machen versucht.

Die direkt Betroffenen, also die Palästinenser, wurden vorher mutmaßlich weder konsultiert noch spielen sie in diesen geostrategischen Überlegungen eine Rolle. Entweder sie schlucken, was man ihnen als »Lösung« vorsetzt, oder müssen sich in der Rolle der Blockierer einrichten. Während ein per internationalem Haftbefehl gesuchter israelischer Regierungschef frank und frei vor der UN-Vollversammlung poltern darf, muss sich der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde per Video zuschalten, um an die in New York versammelte internationale Gemeinschaft zu appellieren – die US-Behörden hatten ihm das Visum für die Einreise in die USA verweigert. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte keine andere Wahl, als während der Generaldebatte seine Bereitschaft zu bekunden, mit Trump an seinem neuen Friedensplan zusammenzuarbeiten.

Aber angenommen, Trump wäre wirklich entschlossen, die Annexion des Westjordanlands durch Israel zu verhindern. Welche Maßnahmen wollte, welche könnte er ergreifen? Und wie weit wäre er bereit zu gehen? Sanktionen gegen Israel seitens der USA sind schwer vorstellbar, sollte Netanjahu nicht auf den Rat seines Freunds Trump hören und selbst vor Drohungen nicht einknicken. Aber wenn man sich die Situation vor Ort anschaut, wird schnell klar: Es braucht gar keine formale Annexion, denn Israel kontrolliert bereits den größten Teil des Westjordanlands.

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