Herr Dimpfel­mosers Schaum vorm Mund

Rechte und Rechtsextreme nehmen sich inzwischen viel medialen Raum, um ihren Hass, ihre Hetze und dreiste Lügen in die Welt zu setzen

Das ist mediale Evolution: Heute streamt der Stammtisch live ins Internet.
Das ist mediale Evolution: Heute streamt der Stammtisch live ins Internet.

Heute, in unserer Zeit, wo die Verbreitung von Informationen und diese Informationen begleitender Kommentare nicht mehr das Vorrecht von Leuten ist, die das entsprechende Wissen und die dafür nötigen Kenntnisse haben, ist ja viel möglich. Heute kann auch der Herr Dimpfelmoser, der einen nicht unerheblichen Teil seiner Zeit am Stammtisch (egal, ob analog oder digital) verbringt und der jede Lüge, die er sich erfindet, für wahr hält, einen Blog oder einen Social-Media-Kanal betreiben und sich »Influencer« oder »Journalist« nennen. An profilierungssüchtigen Leuten, die nichts wissen, aber ein überbordendes Mitteilungsbedürfnis haben, besteht ja kein Mangel hierzulande.

Da gibt es zum Beispiel einen CSU-Lokalpolitiker, der in seiner großzügig bemessenen Tagesfreizeit einen Blog unterhält, dessen Hauptzweck darin besteht, »gegen alles und jeden« zu hetzen, »der irgendwie in das Feindbild seiner reaktionären Perspektive passt«, und »Medienschaffende der Öffentlich-Rechtlichen bei nahezu jeder Gelegenheit zu diffamieren« (»Taz«).

Hierzulande gibt es immer irgendwo einen rechtsextremen Milliardär, der zu viel Geld hat und seine Minderwertigkeitsgefühle zu bekämpfen sucht, indem er »Medienunternehmer« wird.

So ein CSU-Lokalpolitiker wittert bekanntermaßen überall Kommunisten, Schwule, Langhaarige, Ausländer und andere arbeitsscheue Elemente und betrachtet jeden der in Deutschland noch übrig gebliebenen 17 Sozialdemokraten als gefährlichen Linksterroristen. Der Autor Stephan Anpalagan nennt den Blog »ein schönes Beispiel dafür, wie Mitglieder der CSU mit Lügen und Verleumdungen das Geschäft der AfD betreiben«.

Die Zahl solcher Blogs und »alternativer Medien«, die Texte ohne jede nennenswerte Recherche publizieren, die einander jeweils zitieren und ungehemmt voneinander abschreiben, nimmt ja derzeit überproportional zu. Schließlich gibt es hierzulande immer irgendwo einen rechtsextremen Milliardär, der zu viel Geld hat und seine Minderwertigkeitsgefühle zu bekämpfen sucht, indem er »Medienunternehmer« wird und ehemaligen »Bild«-Propagandisten oder dem Herrn Dimpfelmoser eine Handvoll Notebooks, einen »Redaktionsraum« und eine Internetseite finanziert.

Jüngstes Opfer des eingangs genannten Blogs und – in der Folge – anderer extrem rechter Fake-News-Schleudern ist kürzlich Hamado Dipama geworden. Eine Schmutzkampagne ist rasch zusammengezimmert, wenn man ein geeignetes Opfer gefunden hat: Dem heute 51-jährigen Dipama, der aus Burkina Faso stammt, wo er, weil er sich in der demokratischen Studentenbewegung betätigte, ins Visier der staatlichen Organe geriet, gelang 2002 die Flucht nach Deutschland. Andere hatten weniger Glück als er: Ein Kommilitone von ihm wurde damals ermordet in seinem Zimmer aufgefunden. Weil sich irgendwann die Härtefallkommission seiner Sache angenommen hatte, hatte Dipama viele Jahre eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Seit 2022 ist er deutscher Staatsbürger.

Dipama, der aufgrund seiner Herkunft und seiner Hautfarbe »bei der Wohnungssuche, bei willkürlichen Polizeikontrollen, auf der Straße oder in der U-Bahn (…) immer wieder (…) beschimpft wird« (Deutschlandfunk), streitet seit Jahren couragiert gegen den alltäglichen Rassismus in Deutschland und engagiert sich im Ausländerbeirat der Stadt München und im Bayerischen Flüchtlingsrat. In dieser Funktion, das heißt: als Vertreter der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns, sitzt er auch im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (neben Landtagsabgeordneten sämtlicher gewählter Parteien, Vertretern der Kirchen, der Gewerkschaften, der Bauern sowie Repräsentanten von Wirtschaft, Kultur und Sport).

Die gute Kolumne

Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute

Weil Dipama sich kürzlich erlaubt hat, öffentlich Kritik an der extrem rechten Journalistin Julia Ruhs zu üben (wie andere, darunter etliche Journalistenkollegen, das auch taten), stürzen sich jetzt extrem rechte Blogs und Webseiten auf ihn. Wie niederträchtig diese verfahren, sei hier dokumentiert. Falschbehauptungen, Unterstellungen, frei Zusammengelogenes und rassistische Hetze gehen dabei Hand in Hand. Eine diese »Medien« auf Faktentreue kontrollierende Instanz existiert selbstverständlich nicht.

Ein rechtspopulistisches Online-Magazin etwa fährt einen ganzen Begriffsapparat auf, um Dipama als Lügner und gleichzeitig – ganz nach Art der Verschwörungsspinner – als machtvollen Hintergrundakteur zu denunzieren: »Strippenzieher«, »Asylindustrie-Multifunktionär«, »Flüchtlingslobby«. Ein rechtsextremer Internet-Blog agitiert noch plumper, legt Dipama sogar Aussagen in den Mund, die nicht von ihm stammen. Ganze Passagen des Beitrags, der mit dem Namen einer Autorin gekennzeichnet ist, sind offenbar schlicht aus dem genannten rechten Onlinemagazin abgeschrieben, andere Textteile sind in holprigem und durchweg fehlerhaftem Deutsch formuliert. Auch die rassistische Abwertung von Hamado Dipama als Person findet hier offener, unverhohlener statt: Dieser sei ein »hauptberuflicher Antirassismus-Darsteller« und »Migrantenfunktionär«; »der Maximalpigmentierte Dipama« sei »uns aus Burkina Faso geschenkt« worden und sei jetzt »Herr BR-Rundfunkrat«.

Wieder ein anderes »rechtskonservatives beziehungsweise rechtslibertäres Online-Magazin und Alternativmedium« (Wikipedia) fantasiert von der angeblichen »Wirkmacht linker Seilschaften«, zu denen Dipama gehöre, und zeichnet ihn, auch hierbei die Realität vollkommen verdrehend, als fremdländisch-exotischen Querulanten, Unruhestifter und Tunichtgut: »Der Afrikaner«, der »alles andere als ein unbeschriebenes Blatt« sei und »immer wieder Gerichtsverfahren angestrengt« habe, sei »in Deutschland bestens politisch vernetzt«.

Die Qualität solcher zusammengeschmierter Agitation und Propaganda mag noch so unterirdisch sein und der darin erkennbare Realitätsverlust der Textproduzenten noch so unverkennbar – solche Texte, die wie gesagt aus Verunglimpfungen und manipulativen Formulierungen zusammenmontiert sind, finden ihre Leser, die mit Schaum vorm Mund die erwünschten Reaktionen zeigen.

Ich bin mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft die Menschen nicht genauer darauf achten sollten, woher sie ihre Informationen beziehen. Sicher ist jedenfalls: Eine geplante Veranstaltung mit Hamado Dipama, die am 24. September im Rahmen der »Interkulturellen Wochen« in Regensburg hätte stattfinden sollen, musste kurzfristig abgesagt werden. Die Veranstalter schrieben dazu auf Facebook: »Der Grund ist ernst: In den letzten Tagen war Hamado Dipama massiver Hetze und Diffamierungen aus extrem rechten Kreisen ausgesetzt. Es gab sogar persönliche Drohungen.«

Aus Sicherheitsgründen wurde ihm geraten, öffentliche Auftritte vorerst zu meiden. »Diese Entscheidung fällt schwer, ist aber notwendig«, heißt es weiter.

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