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Mehr als nur »Spielwiese für realpolitische Gartenzwerge«
Die Linke steigert Kommunalmandate in Nordrhein-Westfalen von 440 auf mindestens 725 und will nun als gestaltende Kraft punkten
Wolfgang Freye ist am Samstagvormittag sichtlich erfreut. Deutlich mehr als 100 Menschen sind gekommen, um beim »Kommunalpolitischen Forum« (Kopofo) der Linken in Nordrhein-Westfalen über die anstehende Wahlperiode bis 2030 zu diskutieren und das notwendige Rüstzeug für Stadtrat, Bezirksvertretung oder Kreisrat mitzubekommen. Freye ist ein Haudegen in der linken Kommunalpolitik. 1999 wurde er erstmals in eine Bezirksvertretung in Essen gewählt. Danach saß er über Jahre hinweg im Rat der Stadt und im Ruhrparlament. In der Linken engagiert er sich schon lange im Kopofo, das sich um die Schulung und Vernetzung kommunaler Mandatsträger*innen kümmert.
In der Vergangenheit war das nicht immer ein Vergnügen, in NRW hatte die Linke hart mit der Wagenknecht-Abspaltung zu kämpfen. Um so verständlicher, die Freude jetzt: 2020 hatte die Linke 440 Mandate erzielt. Jetzt mindestens 725, die endgültige Zahl steht noch nicht ganz fest. Fest steht: Es ist das beste Ergebnis, das die Linke in NRW jemals eingefahren hat. Daraus gilt es für sie nun etwas zu machen. Das sehen offenbar auch die frischgebackenen Kommunalpolitiker*innen selbst so. 200 waren seit der Wahl vor zwei Wochen schon bei Videokonferenzen dabei, deutlich mehr als 100 sind am Samstag zur Kommunalkonferenz nach Essen gekommen.
So viel Interesse gab es nicht immer, erzählt Freye zu Beginn, zu PDS-Zeiten habe die Kommunalpolitik als »Spielwiese für realpolitische Gartenzwerge« gegolten. Es folgte eine Phase, in der manche versucht hätten, den Klassenkampf in die Räte zu tragen. Heute habe man die Einsicht, dass die Verankerung vor Ort wichtig ist und man manche Veränderung im Lokalen anstoßen könne. Folgt man den Kommunalwahlergebnissen, hat die Linke oft sogar als gestaltende Kraft gewonnen. So fuhr die Partei in Bielefeld und Bonn sehr gute Ergebnisse ein, wo sie bereits an der Ratsmehrheit beteiligt war.
In der kommenden Wahlperiode könnte die Linke in mehr Städten das Zünglein an der Waage sein. Wiebke Köllner aus Bochum berichtete, dass es von SPD und Grünen schon Angebote zu Gesprächen gegeben habe, um eine feste Ratsmehrheit zu bilden. Sie und ihr Kreisverband sind allerdings skeptisch, denken darüber nach, nur punktuell zusammenzuarbeiten – auch um nicht für Kürzungen geradestehen zu müssen, über die fast überall dirskutiert wird.
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Kommunalfinanzen noch viel stärker zu thematisieren, das war auch ein Impuls der Konferenz. Julia Marmulla berichtete, wie sich die Düsseldorfer Linke im Wahlkampf gegen den Neubau der Oper aussprach. Ein Projekt, das mit Folgekosten deutlich über die Milliardengrenze gehen sollte. Die Partei sprach sich stattdessen für die Sanierung der bestehenden Oper aus. Freies Geld im Haushalt solle man lieber in Bildung, Soziales und die Verkehrswende investieren. Im Wahlkampf hatte man mit der Gegnerschaft zum Opernneubau ein Alleinstellungsmerkmal.
Für Witich Roßmann, DGB-Vorsitzender in Köln, ist das Beispiel der Düsseldorfer Oper ideal, um zu zeigen, wie man beim kommunalen Haushalt »echte Klassenpolitik« machen könne. Bonn, Köln, Düsseldorf seien alles Städte mit Opern. Die in Köln ist schon ein Millionengrab. Das seien so Roßmann »Subventionen« für ein kleines, bürgerliches Publikum. Dagegen könne man als Linker durchaus etwas sagen und fordern, dass Geld so eingesetzt wird, dass es mehr Menschen erreicht.
Neben dem Klassenkampf im Kommunalhaushalt ging es beim Kongress in diversen Workshops um praktische Themen. Einer erklärte etwa den Einstieg ins Kommunalparlament, von der Wahlanahmeerklärung bis zur Fraktionsbildung, in einem anderen ging es darum, ob der »Planungsturbo« der Bundesregierung die Wohnungsfrage löse. Ein dritter gab Vorschläge, wie man Politik mitgestalten kann, wenn man allein ohne Fraktion in einem Kommunalparlament sitzt.
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