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Das Cannabisgesetz ist keine Katastrophe

Evaluation nennt viele Unklarheiten. Union pocht auf Verschärfungen

Bisher gibt es keine Hinweise auf mehr Verkehrsdelikte unter Cannabis-Einfluss.
Bisher gibt es keine Hinweise auf mehr Verkehrsdelikte unter Cannabis-Einfluss.

199 Seiten hat der erste Evaluationsbericht zum Konsumcannabisgesetz, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist. Die Wissenschaftler*innen von den Universitäten Hamburg, Düsseldorf und Tübingen betonen auf den Seiten sehr oft die Vorläufigkeit ihrer Erkenntnisse. Und was für die politische Diskussion in den kommenden Wochen wohl noch wichtiger ist: Für eine »vollumfängliche und belastbare« Auswertung des Gesetzes sei es »unerlässlich«, dem Gesetz in seiner derzeitigen Form Zeit bis zum 1. April 2028 zu geben.

Für die Evaluation haben die Wissenschaftler*innen mögliche Auswirkungen des Cannabisgesetzes auf verschiedene Themenfelder untersucht. Dabei konnten sie mehrfach feststellen, dass sich bestehende Trends fortsetzen. So konsumieren weniger Jugendliche Cannabis, zugleich nimmt der Konsum unter jungen Erwachsenen zu. Auswirkungen des Gesetzes sind in diesem Bereich nicht feststellbar. Die Zahl der Jugendlichen, die wegen Cannabis Suchtberatungen aufsuchen, nimmt ab. Bei Erwachsenen gibt es »Hinweise« auf einen leichten Anstieg akuter Gesundheitsprobleme infolge von Cannabiskonsum.

In Bezug auf Abstandsregeln zu Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, und zu Höchstmengen, was Besitz und Mitführen von Cannabis angeht, gibt es von Vertreter*innen der Polizei Wünsche nach klareren Regeln und geringeren Mengen, gerade was das Mitführen angeht. Erlaubt sind derzeit 25 Gramm. Die Wissenschaftler*innen sehen in dem Bereich allerdings keinen akuten Handlungsbedarf.

Zu einem zentralen Ziel des Gesetzes werden in der Evaluation allerdings eindeutige Aussagen getätigt. Der Schwarzmarkt sollte ausgetrocknet werden, das Mittel dafür sollten die Anbauvereinigungen sein. Das funktioniert nicht. Derzeit gibt es etwa 300 Anbauvereinigungen, sie können maximal 150 000 Mitglieder aufnehmen. Bei geschätzten 4,5 Millionen Erwachsenen, die in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben, ist die klaffende Lücke offensichtlich. In sie stößt zunehmend Medizinalcannabis, das es auf Rezept online und in Apotheken gibt. Eine weitere Quelle von Cannabis ist die Weitergabe von selbst Angebautem unter Bekannten.

Trotz der unspektakulären Ergebnisse der Evaluation gibt es aus der Union Druck, das Cannabisgesetz zu reformieren. »Die Cannabis-Legalisierung der Ampel hat dem Jugendschutz und der Verkehrssicherheit in Deutschland einen Bärendienst erwiesen«, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann der »Augsburger Allgemeinen«. »Die Suchtproblematik gerade bei jungen Menschen nimmt weiter zu«, befand Hoffmann. Zudem gefährde der Einfluss von Cannabis am Steuer zunehmend die Verkehrssicherheit und binde Polizeikräfte, die in anderen Bereichen dringend gebraucht würden. »Ich hoffe, dass es mit der SPD möglich sein wird, die schwersten Fehler dieses grundfalschen Gesetzes zu korrigieren.« Ähnlich äußerte sich der Suchtbeauftragte der Bundesregierung, der Bonner CDU-Abgeordnete Hendrik Streeck.

Ates Gürpinar, drogenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, ordnet die Evaluation des Cannabisgesetzes positiver ein: »Die im Vorfeld betriebene Panikmache rund um das Cannabisgesetz erweist sich einmal mehr als unbegründet. Weder ist die Zahl der Verkehrsunfälle gestiegen, noch gibt es Anzeichen für eine Verschlechterung der Gesamtsituation. Die Expert*innen sehen daher keinen Anlass für grundlegende Korrekturen am Gesetz.« Kritisch sieht Gürpinar, dass das Cannabisgesetz den Schwarzmarkt bisher nicht eindämmen konnte. Er macht dafür »zu hohe bürokratische Hürden« für die Anbauvereinigungen verantwortlich. Gürpinar fordert mehr gesundheitliche Aufklärung und zugleich »gesellschaftliche Akzeptanz und eine konsequente Stärkung legaler Angebote«. Das seien die richtigen Antworten für den Schutz der Gesundheit und Konsument*innen.

Auch beim Deutschen Hanfverband nimmt man die Evaluation positiv auf. Es sei richtig und überfällig gewesen, »die massenhafte Strafverfolgung« von Konsument*innen zu beenden, so Sprecher Georg Wurth. Die Bundesregierung fordert er auf, nun »endlich erste Cannabis-Modellprojekte zuzulassen«, in denen verschiedene Städte Cannabis wissenschaftlich begleitet in Fachgeschäften abgeben wollen.

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