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Wohneinkommen fließt in den Westen
Einkünfte von Millionären aus Vermietung und Verpachtung landen nur zu drei Prozent in ostdeutschen Bundesländern
Vergangene Woche machte die Ostbeauftragte Elisabeth Kaiser (SPD) einen Vorstoß für eine gerechtere Vermögensverteilung zwischen Ost und West. 35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung gebe es immer noch »verkrustete Vermögensverhältnisse«, so Kaiser. Woran das unter anderem liegt, zeigte eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zu sehr hohen Einkommen und Vermögen, die »nd« vorliegt. Einkünfte von Einkommensmillionär*innen – die also im Gegensatz zu Vermögensmillionären Einkünfte und Einkommen von einer Million oder mehr erzielen – kommen selten im Osten an.
Das gilt insbesondere für Vermietung und Verpachtung. 97 Prozent jener Einkünfte fließen demnach in den Westen. Dabei betrug der Bevölkerungsanteil steuerpflichtiger Millionäre im Osten im Befragungsjahr 2021 immerhin 15 Prozent. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl der Einkommensmillionäre bundesweit verdoppelt, zugleich stieg die Armutsquote weiter an.
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Christian Görke, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, sieht in der Entwicklung ein »akutes Alarmzeichen«. »Damit wird nicht nur die Ungleichheit zwischen Ost und West weiter verstärkt, es bestätigt auch das Bild der «Werkbank Ost», wenn 97 Prozent der Gewinne von Millionären aus Vermietung und Verpachtung in den Westen gehen«, so Görke.
»Eine Vermögensteuer ist überfällig, genauso wie eine Reform der Erbschaftsteuer, die Ausnahmen für Firmenerbschaften und für große Wohnungsbestände beseitigt.«
Christian Görke Die Linke
Der Begriff »Werkbank Ost« bezieht sich auf westdeutsche und internationale Konzerne, die nach der ostdeutschen Wende Beschäftigte aus dem Osten mit verhältnismäßig niedrigen Löhnen und schwachem gewerkschaftlichem Organisationsgrad abspeisten. »Eine Vermögensteuer ist überfällig, genauso wie eine Reform der Erbschaftsteuer, die Ausnahmen für Firmenerbschaften und für große Wohnungsbestände beseitigt«, fordert Görke. Bisher gilt: Wer mehr als 300 Wohnungen erbt, gilt vor dem Fiskus automatisch als Wohnungsunternehmen und muss keine Steuer zahlen.
In eine ähnliche Richtung argumentiert Ostbeauftragte Kaiser. Sie spricht sich ebenfalls für die Einführung beziehungsweise den Ausbau einer Vermögens- und einer Erbschaftssteuer, außerdem ein »Grunderbe« und für die geplante Frühstartrente aus. Ein Grunderbe wäre eine Art staatlich finanziertes Startkapital für junge Erwachsene. Bei der Frühstartrente soll mit staatlicher Hilfe von der Kindheit an fürs Alter gespart werden.
Die Union plant dagegen, auf anderen Wegen mehr Geld aus dem Wohnungsmarkt zu ziehen. So schlug Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor, die Wohnkosten im Bürgergeld zu kürzen. Dabei schwebte ihm unter anderem vor, eine bundesweite Pauschale einzuführen. Das Problem dabei: Die Wohnkosten unterscheiden sich je nach Standort stark.
Wie eine weitere Anfrage der Linksfraktion ergab, reichen die Beiträge im Bürgergeld bereits bei jedem achten Haushalt nicht aus, um die Wohnkosten zu decken. Sie müssen ihre Mieten durch Gelder aufstocken, die eigentlich für andere Bereiche ihres Lebens gedacht sind. Viele sparen stattdessen an Kosten für Lebensmittel und verzichten auf Essen, wie die Organisation Sanktionsfrei in einer Studie feststellte. Andere verschulden sich, um die Wohnkosten zu zahlen. Am meisten zahlt der Staat an Wohnkostenbeiträgen übrigens in Metropolen wie Hamburg und München und in Süddeutschland, wie eine Auswertung der »Zeit« ergab.
Was die Beantwortung der Linke-Anfrage durch die Bundesregierung einmal mehr aufzeigt, ist die erschreckend schlechte Datenlage zu Vermögen und hohen Einkommen in Deutschland. Diese stellt vor Herausforderungen – zum Beispiel, wenn es darum geht, Steuerschlupflöcher von Einkommensmillionären im Miet- und Pachtbereich aufzudecken.
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