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Israel soll Aktivisten mit deutschen U-Booten angegriffen haben
Neue Erkenntnisse zu Brandsätzen auf die internationale Gaza-Flottille in Tunesien
Israels Marine umfasst nur rund 50 Schiffe und Boote, gilt aber als hochmodern – und ein erheblicher Teil dieser Schlagkraft stammt aus Deutschland. Alle sechs U-Boote der »Dolphin«-Klasse wurden in der Bundesrepublik gebaut; weitere U-Boote der offensiven »Dakar«-Klasse sind bestellt. Auch alle neueren israelischen Korvetten kommen aus der deutschen Werft ThyssenKrupp Marine Systems. Kritiker verweisen darauf, dass die Über- und Unterwasserschiffe auch im Gaza-Krieg eingesetzt werden könnten. Aussagen von Betroffenen über den Beschuss palästinensischer Küstengebiete durch Militärschiffe nähren diesen Verdacht – den die israelische Regierung aber bestreitet.
Ein Bericht der US-amerikanischen Nachrichtensendung CBS News rückt die aus Berlin genehmigten Lieferungen in ein noch brisanteres Licht: Unter Berufung auf US-Geheimdienstquellen berichtet der amerikanische Sender, dass Anfang September die Drohnenangriffe auf Schiffe der internationalen Gaza-Flottille von Anfang September, die bis dato keinem Urheber klar zugeordnet werden konnten, von einem israelischen U-Boot ausgingen. Zu diesem Zeitpunkt ankerten die Aktivist*innen – unter ihnen auch Deutsche – im tunesischen Hafen Sidi Bou Said.
Organisiert von der Global Sumud-Initiative, wollten insgesamt rund 400 Menschen mit der Flottille die israelische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen und Hilfsgüter liefern. Am Mittwoch hatte Israels Marine fast alle der rund 50 Schiffe in internationalen Gewässern auf der Höhe Ägyptens aufgebracht und die Besatzungen entführt. Ein großer Teil der festgenommenen Besatzungsmitglieder wurde von den israelischen Behörden bereits ausgewiesen. Laut Auswärtigem Amt sind 14 Deutsche der Global Sumud Flotilla in Israel in Haft. Nur ein Boot konnte in die von Israel kontrollierten Gewässer vor Gaza einfahren; was mit der von Israel ebenfalls verschleppten Crew geschehen soll, ist unklar.
Die in Tunesien mutmaßlich von einem U-Boot aus gestarteten Drohnen hatten Brandsätze auf die Schiffe »Family« (unter portugiesischer Flagge) und »Alma« (unter britischer Flagge) abgeworfen. Zwar konnten die daraufhin entstehenden Brände gelöscht werden und niemand kam zu Schaden. Sofern diese Taten aber tatsächlich von Israel – und damit einem ausländischen Akteur – verübt wurden, wäre dies eine eindeutige Verletzung tunesischer Hoheitsrechte. Zudem ist der Einsatz von Brandwaffen gegen zivile Ziele nach internationalem Recht grundsätzlich verboten.
Sofern diese Taten tatsächlich von Israel verübt wurden, wäre dies eine eindeutige Verletzung tunesischer Hoheitsrechte.
Aktivist*innen der Global Sumud-Initiative erklärten, die Attacken hätten nicht nur Menschenleben gefährdet, sondern seien auch ein Versuch gewesen, ihre Mission einzuschüchtern. Israel nahm offiziell keine Stellung gegenüber CBS. Tunesische Behörden bestreiten die Darstellung und erklärten, das Feuer sei möglicherweise durch einen Defekt ausgelöst worden. Pro-israelische Stimmen führten einen unsachgemäßen Umgang mit Signalpistolen an – diese Darstellung wird auch von einem grünen-nahen deutschen Militärblogger kolportiert.
Der Bericht zum möglichen Einsatz eines deutschen U-Bootes gegen die Gaza-Flotille ist auch im Hinblick auf die Ausfuhr eines sechsten und letzten der »Dolphin«-Klasse von Bedeutung: Für das von ThyssenKrupp in Kiel fertiggestellte »Drakon« liegen laut dem Vorstand des deutschen Rüstungskonzerns alle nötigen Genehmigungen vor. Die Bundesregierung widerspricht dieser Darstellung jedoch – falls dies stimmt, könnte der Beschuss der Gaza-Flotille mit Drohnen diese Haltung bekräftigen. Denn Anfang August hatte die Bundesregierung angekündigt, keine Genehmigungen mehr für Rüstungsexporte zu erteilen, die in Gaza eingesetzt werden könnten.
Bereits im Mai war eine andere maritime Hilfsmission auf dem Weg nach Gaza angegriffen worden: Anfang Mai wurde die »Conscience«, ein Schiff der Freedom Flotilla Coalition, vor Malta mit einem Sprengsatz aus der Luft beschädigt. Vier Menschen wurden verletzt; die Explosionen rissen ein Loch in das Deck des Schiffes. Ob es sich um eine Drohne handelte, blieb unklar; auch der mögliche Startpunkt des Flugkörpers konnte nicht nachgewiesen werden. Dennoch liegt nahe, dass Israel hinter dem Angriff stand.
Wenige Stunden vor dem Einschlag war ein Transportflugzeug des israelischen Militärs mit unklarer Absicht in den Luftraum von Malta eingedrungen – in dortigen Küstengewässern befand sich später die »Conscience«. Technisch ist es möglich, dass diese C-130 Hercules eine Drohne in der Luft »geparkt« hat, die das Schiff zu einem späteren Zeitpunkt angriff. Solche »herumlungernde Munition« wird vom israelischen Rüstungskonzern Uvision hergestellt – und von Rheinmetall in Lizenz vermarktet.
Der Düsseldorfer Konzern wirbt auf seiner Webseite mit dem Abschuss von Kamikaze-Drohnen der »Hero«-Familie von C-130-Flugzeugen. Deren Fähigkeit bestehe darin, »sich über einen längeren Zeitraum unbemerkt im Luftraum über dem Zielgebiet aufzuhalten, um dann lageangepasst zu wirken«. Ob die »Conscience« wirklich von einer »Hero« getroffen wurde, ließe sich aber nur anhand von gefundenen Trümmern bestimmen.
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