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Bundeswehr und BKA bauen Zusammenarbeit mit Israel aus
Kooperationen zu Drohnenabwehr und Hamas, Austausch zu Künstliche Intelligenz und »Gefangenenwesen«
Die militärische und polizeiliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel ist in den vergangenen Jahren intensiver geworden. Das geht aus Antworten der Bundesregierung auf zwei parlamentarische Anfragen der Linken hervor. Demnach kooperieren beide Länder nicht nur bei Rüstungsexporten, sondern auch in Bereichen der Ausbildung und Terrorismusbekämpfung. Angaben dazu gibt es zur Bundeswehr und zum Bundeskriminalamt (BKA), jedoch nicht zur Bundespolizei.
Deutsche und israelische Soldat*innen nehmen laut Bundesregierung gegenseitig an »Hochwertausbildung« von Führungs- und Militärakademien sowie Universitäten teil. Zu praxisnahen Ausbildungen deutscher Kräfte zählen Weiterbildungen von Hubschrauberbesatzungen im sogenannten Staublandeverfahren sowie Gebirgsflugtraining. Umgekehrt absolvieren israelische Soldat*innen Freifall- und Tandemsprungtrainings an der deutschen Luftlande- und Lufttransportschule. Auch gegenseitige Sanitätslehrgänge gehören zur Kooperation.
Ausbildung an Drohnen und Flugabwehr
Außerdem erhält die deutsche Luftwaffe seit mehreren Jahren in Israel Waffensystemausbildungen für die Drohne Heron TP, die das seit 2010 genutzte unbemannte Aufklärungssystem Heron 1 ersetzt. Für den Einsatz im Gaza-Krieg hatte die Bundeswehr vorübergehend zwei Heron TP an Israel zurückgegeben – diese Überlassung endete im April. Insgesamt sollen fünf bewaffnungsfähige Drohnen aus Israel geliefert werden, eine ist bereits in Jagel in Schleswig-Holstein stationiert. Kürzlich hat der Bundestag die Beschaffung von drei weiteren Heron TP genehmigt.
Weitere Ausbildungen deutscher Soldat*innen erfolgen seit einer entsprechenden Beschaffungsentscheidung am israelischen Raketenabwehrsystem Arrow und einem dazugehörigen System aus leistungsstarken Radargeräten zur Überwachung, Detektion und Verfolgung von anfliegenden Flugkörpern. Dieses AWS-G soll an mehreren Standorten in ganz Deutschland stationiert werden – es könnte dann auch von der Polizei genutzt werden.
Das Schließen derartiger Fähigkeitslücken zur Drohnenabwehr hatte jüngst auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angekündigt und hierzu ein Projekt mit Israel angekündigt. Ob es sich dabei um eine polizeiliche Nutzung des militärischen AWS-G handelt, ließ der Minister offen. Dessen Anfangsbefähigung soll noch dieses Jahr erreicht werden.
»Nachdrücklicher« Aufruf zur Einhaltung von Völkerrecht
Auf Arbeitsebene finden zwischen Israel und Deutschland militärische »Fach- und Expertengespräche« in verschiedenen Bereichen statt, ein Schwerpunkt liegt laut dem Verteidigungsministerium derzeit »auf Logistik, Neubeschaffung, Operation, Erhebung und Ermittlung sowie Gefangenenwesen«. Worin dieser Austausch etwa zu Gefängnissen besteht, beantwortet die Bundesregierung nicht.
Die Bundesregierung sieht in den Kooperationen aus »militärischer, ausbildungsfachlicher Sicht wertvolle Erfahrungs- und Erkenntnisgewinne«. Auf die Frage, wie sie dies vor dem Hintergrund von Kriegsverbrechen der israelischen Armee im Gazastreifen bewertet, heißt es: »Die Bundesregierung steht auch zu völkerrechtlichen Fragen mit der israelischen Regierung im Austausch und ruft die israelische Regierung nachdrücklich zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf.«
Fokus auf »Terrororganisation Hamas«
Auch die polizeiliche Zusammenarbeit wurde intensiviert – bislang aber nur auf strategischer Ebene. Zuletzt hatte Israels Polizeichef Daniel Levy Anfang September mit einer Delegation das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) beim BKA in Berlin-Treptow besucht. Dabei lag laut einer Antwort des Bundesinnenministeriums ein Fokus auf »der Terrororganisation Hamas«.
Auch hier nennt die Bundesregierung keine Details – etwa ob der Informationsaustausch zu angeblichen Tätigkeiten der Organisation in Deutschland intensiviert werden soll. Anfang Oktober – drei Wochen nach dem Besuch im GTAZ – hatte der Generalbundesanwalt in Deutschland insgesamt vier Männer festnehmen lassen, die im Auftrag der Hamas »Mordanschläge auf israelische oder jüdische Einrichtungen in Deutschland« vorbereitet haben sollen.
Mit dem BKA hat der israelische Polizeichef auch über Möglichkeiten zu Finanzermittlungen gesprochen – auch diese werden häufig im Terrorismusbereich genutzt. An einem nicht näher genannten konkreten Fall hat das BKA der israelischen Delegation außerdem den Einsatz von Virtual Reality bei einer Tatortbegehung vorgeführt. Am zweiten Tag demonstrierte das BKA seine Entwicklungen zu künstlicher Intelligenz – zu diesem Thema hatte die Behörde in Wiesbaden vor einem Jahr ihre gesamte Herbsttagung gewidmet. Im Mittelpunkt stand dabei Gesichtserkennung.
Hochrangige Beamte zu Konferenzen in Israel
Im kommenden Dezember will das BKA an einer »Konferenz der Notfallmanagementbeauftragten« Israel teilnehmen – mit welchem Beitrag, bleibt offen. Es ist nicht der einzige Besuch dieser Art: Eine Woche, nachdem Israels Polizeichef in Berlin war, sprach etwa Olaf Lindner, Präsident der Bundespolizeidirektion 11 (Spezialkräfte), auf einem »Antiterrorismus-Kongress« in Tel Aviv und behauptete dort, da Deutschland »illegale Migration« signifikant gestoppt habe, sei auch die Terrorismusgefahr geringer geworden.
Redner*innen aus Israel und anderen Ländern ehrten auf der Konferenz den in den USA kurz zuvor getöteten rechtsextremen Influencer Charlie Kirk, verteufelten den Internationalen Strafgerichtshof oder erklärten, Israel werde derzeit »von allen Seiten« angegriffen. Kampagnen und Klagen vor internationalen Gerichten wurden als militärische »achte Front« und »antisemitisch« bezeichnet.
Christian Klos, Ministerialdirektor im Bundesinnenministerium, erklärte auf dem »Antiterrorismus-Kongress«, dass deutsche Proteste gegen Gaza-Krieg »oft antijüdisch« seien und häufig religiöse Stätten adressierten. Er begründete dies damit, dass Aktivist*innen die Worte »Apartheid« und »Genozid« benutzten. Am diesjährigen Nakba-Tag am 15. Mai in Berlin sei ein Polizist von Demonstrant*innen schwer verletzt worden, erklärte Klos in Tel Aviv – eine weit verbreitete Falschmeldung, wie mehrere Medien mithilfe von Forensic Architecture später recherchieren konnten.
Linke fordert Abbruch der Kooperationen
Eine vertiefte deutsche Sicherheitszusammenarbeit mit Israel war bereits im Mai 2022 von der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt worden. Diese Kooperation gestalte sich »eng und vertrauensvoll«, erklärte das Ministerium auf Anfrage des »nd« und erfolge »im Rahmen bereits bewährter Formate zur Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung«. Zu konkreten Maßnahmen äußerte sich die Sprecherin nicht, außer: Im September 2023 sei eine Kooperationsvereinbarung mit der Gedenkstätte Yad Vashem zur »Antisemitismussensibilisierung« von Beschäftigten der Bundespolizei und des BKA geschlossen worden.
Bundesinnenminister Dobrindt kündigte bei einem Israel-Besuch im Juni 2025 außerdem einen »Cyber- und Sicherheitspakt« an, der Schutz kritischer Infrastruktur, Bevölkerungsschutz und die Reaktion auf Drohnenangriffe umfassen soll. Auch hierzu bleibt das Ministerium schmallippig: »Da der Cyber- und Sicherheitspakt noch nicht vereinbart ist, können hierzu keine Einzelheiten mitgeteilt werden«, sagte die Sprecherin »nd«.
Die mündliche Frage zur militärischen Zusammenarbeit mit Israel stammt von der Linke-Abgeordneten Gökay Akbulut. Sie kritisiert, dass die »tiefgreifende und vielschichtige Kooperation« trotz systematischer Kriegsverbrechen weitergeht. »Dieser Widerspruch ist fundamental und untergräbt jede Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik«, so Akbulut. Die Bundesregierung müsse die Maßnahmen deshalb sofort aussetzen. Diese Forderung erhebt auch Lea Reisner, die sich zur Polizeikooperation erkundigt hatte: »Dass Deutschland weiter eng mit israelischen Streitkräften und der Polizei zusammenarbeitet, obwohl diese schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen, ist kein ›Erfahrungsgewinn‹, sondern ein moralischer Offenbarungseid.«
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