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Eine Linke baut eine Brücke zur AfD
Zwei Gemeindevertreter bilden im ostbrandenburgischen Steinhöfel eine Fraktion
In Steinhöfel (Oder-Spree) haben die beiden Gemeindevertreter Bettina Lehmann (Linke) und Matthias Natusch (AfD) zusammen eine Fraktion »Vernunft und Verantwortung« gebildet. Das berichtet die »Märkische Oderzeitung« (Moz) am Samstag und zitiert aus einer Stellungnahme: »Wir gründen uns, weil unsere gemeinsamen Schnittmengen zu deutlich sind, um sie durch künstliche Grenzen zu ignorieren.« Weiter zitiert die Moz, im Mittelpunkt stünden die Herausforderungen des ländlichen Raums: eine funktionierende Infrastruktur, eine lebendige Dorfgemeinschaft, eine verlässliche Daseinsvorsorge und die Wertschätzung des Ehrenamts. »Unser Ziel ist es, Brücken zu bauen, wo andere Brandmauern errichten.«
Fraktionslos hatten Lehmann und Natusch nicht in den Ausschüssen der Gemeindevertretung mitarbeiten dürfen. Darum haben sie sich entschlossen, eine Fraktion zu bilden, sagt Lehmann dem »nd« am Sonntag. Ihre Parteizugehörigkeiten sollen dabei keine Rolle spielen. Lehmann ist seit 2014 Gemeindevertreterin und 2017 in Die Linke eingetreten. Vorher sei sie nie in einer Partei gewesen, sagt die 63-Jährige. In eine andere Partei werde sie auch nicht eintreten. »Ich werde mich nicht verbiegen«, erklärt Lehmann. »Ich habe einen starken Gerechtigkeitssinn und meinen eigenen Kopf.«
»Die Linke lehnt die Zusammenarbeit mit der als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD entschieden ab«, versicherte der Vizelandesvorsitzende Stephan Wende umgehend. »Bettina Lehmann trat zur Kommunalwahl zwar als Einzelkandidatin an, ist aber auch bekannt als engagiertes Parteimitglied der Linken.« Jetzt eine Fraktion mit Matthias Natusch von der AfD zu bilden, verbiete sich von selbst. Bettina Lehmann sollte diese Fraktion sofort wieder verlassen und ehrliche antifaschistische, antirassistische und sozial engagierte Kommunalpolitik für Steinhöfel machen. »Dies geht nicht Hand in Hand mit der AfD«, erklärte Wende.
In der Gemeindevertretung gibt es eine gemeinsame Fraktion von Aktive Bürger, SPD und Linke, in der Eva Hoffmann mitwirkt – eine parteilose Kandidatin der Linken zur Kommunalwahl 2024. Bettina Lehmann hatte sich entschieden, damals nicht wieder für ihre Partei anzutreten, sondern als Einzelbewerberin, schildern ihre Genossen. Jetzt wird sie aufgefordert, aus der Partei auszutreten. »Andernfalls wird ein Parteiausschlussverfahren angestrebt«, heißt es in einem Beschluss einer Gesamtmitgliederversammlung des Kreisverbands Oder-Spree vom Samstag. Im Vorfeld der »fragwürdigen« Fraktionsbildung habe es mit Bettina Lehmann Gespräche dazu gegeben, dass es keine Vereinbarkeit von rechtsextremen und linken Positionen geben könne.
»Die Linke lehnt die Zusammenarbeit mit der als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD entschieden ab.«
Stephan Wende Vizelandesvorsitzender
Ein solcher Fall ist in Brandenburg noch ohne Beispiel. Was es bereits gab: In Forst hatte der dortige Linksfraktionschef Ingo Paeschke 2020 in der Sachfrage eines Jugendklubs mit der AfD zusammengearbeitet und diese sogar zu einer gemeinsamen Pressekonferenz in die Geschäftsstelle der Linkspartei hineingelassen, wo er Seite an Seite mit dem AfD-Fraktionschef auftrat. Paeschke wurde aus der Partei ausgeschlossen und stieß zu den Freien Wählern.
In Lebus hatten 2017 zwei parteilose Linksfraktionäre mit anderen Stadtverordneten zusammen einen AfD-Mann zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt, der aber sein Amt nie antreten durfte. 2021 hatte zwei Genossen in Zehdenick gemeinsam mit anderen Stadtverordneten, also auch denen von der AfD, einen Antrag zur Abwahl des Bürgermeisters unterschrieben. In Potsdam stimmte der zur Linksfraktion gehörende Stadtverordnete Ralf Jäkel 2022 für einen AfD-Antrag, der Oberbürgermeister solle sich angesichts explodierter Energiepreise für die Öffnung der Erdgasleitung Nord Stream 2 einsetzen. Jäkel hat sich inzwischen dem BSW angeschlossen.
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