- Kommentare
- Unabhängigkeit
Antikorruptionsbehörden in der Ukraine: Kalkulierte Repression
Daniel Säwert über Wolodymyr Selenskyjs Angriff auf Antikorruptionseinrichtungen
Wer hat Angst vor dem Russen? Das kann nur jeder für sich beantworten. Für Regierungen aber ist das Bild, der Kreml habe seine Hand überall im Spiel, nicht erst seit dem Ukraine-Krieg ein beliebtes Bedrohungsszenario, um unliebsame und teilweise unrechtmäßige Maßnahmen durchzusetzen. Niemand beherrscht dieses Spiel so perfekt wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der abseits realer russischer Gefahr immer wieder eine imaginierte vorführt, um Kritiker mundtot zu machen.
Mit der Unterwerfung unabhängiger Korruptionsermittler unter seine Fittiche scheint der Bogen für die Ukrainer selbst überspannt. Erstmals seit Kriegsbeginn versammelten sie sich zu Protesten auf der Straße und ignorierten sogar die Sperrstunde. Dass die Ermittler aus Russland gesteuert werden, wie Selenskyj in einem peinlichen Video behauptet, glaubt außer den treuesten Anhängern niemand.
Der gefeierte aufstrebende Jungpräsident und unantastbare »Verteidiger Europas« verwandelt sich immer mehr in einen Sonnen(blumen)-König, der sich die Ukraine nach seinem Gusto umbaut, völlig entrückt vom Volk. Die »Kriegsdemokratie« Selenskyjs weicht immer mehr der Logik eines autoritären Regimes. Und Selenskyj weiß, dass er damit durchkommt. Die ungewöhnliche Kritik aus Brüssel und sogar Berlin an der Verfolgung der Korruptionsermittler kann er sich in sein Poesiealbum kleben, mit dem Wissen, dass man ihn nicht fallen lässt oder gar Geld und Waffen zurückhält. Denn es droht ja Russland.
Dabei zerstört Selenskyj nicht nur sein eigenes Denkmal, er schadet der Ukraine zu einem Zeitpunkt, an dem sie Zusammenhalt dringend benötigt, angesichts einer sich zuspitzenden Lage. Und er verbaut den jungen Menschen im Land jene europäische Zukunft, die er selbst stets propagiert. Eine autoritäre Ukraine aber kann kein Teil Europas sein.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.