Licht ins Dunkel der Staatsschulden

Datenbank zeigt: Die Schuldenmärkte Afrikas sind größer als bisher bekannt – und komplexer

Die Zinszahlungen vieler Länder in Afrika übertreffen die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung.
Die Zinszahlungen vieler Länder in Afrika übertreffen die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Bildung.

Krisen, Hunger und Arbeitslosigkeit – diese Vorurteile prägen immer noch das Bild Afrikas in der Welt. Obendrauf kommt ein hoher Schuldenberg. Im vergangenen Jahr mussten afrikanische Staaten teilweise zweistellige Milliardensummen für Zinsen aufbringen, die an Banken, Investoren und Fondsgesellschaften zu zahlen waren.

In vielen Ländern entsprechen die Zinszahlungen mindestens der Gesamtheit der Ausgaben für das staatliche Gesundheitswesen und übertreffen auch die Ausgaben für Bildung. Finanzpolitisch und volkswirtschaftlich gesehen ist eine derartige Zinslast eine kolossale Verschwendung öffentlicher Gelder.

Weltbank, Welthandelsorganisation WTO, Forschungseinrichtungen und Entwicklungsorganisationen haben immer wieder versucht, Licht in das Dunkel der Schuldenbeziehungen zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden zu bringen. Durchaus mit Erfolgen. Doch viele Fragen blieben unbeantwortet.

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Antworten für Afrika versucht das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) mit einer neuen Datenbank zu geben. Mit der »African Debt Database« stellte das Institut jüngst eine weltweit einzigartige Datensammlung zur öffentlichen Verschuldung afrikanischer Staaten vor, erklärt Christoph Trebesch, Direktor des Forschungszentrums Internationale Finanzen am IfW die Bedeutung.

Die Datenbank erfasst sämtliche in- und ausländischen Schuldtitel von 54 afrikanischen Staaten, die zwischen den Jahren 2000 und 2024 geschlossen wurden – insgesamt mehr als 50 000 Kontrakte mit einem Volumen von umgerechnet rund 6,3 Billionen US-Dollar. Für jeden Kontrakt werden Währung, Laufzeit, Zinssatz, Gläubiger und Art des Schuldtitels dokumentiert. Damit bietet die Datenbank laut Trebesch den bislang umfassendsten Überblick über die staatliche Verschuldung auf dem Kontinent.

Besonderes Anliegen des Projekts ist die öffentliche Zugänglichkeit der Daten. Das soll nicht allein Forschung und Politikberatung helfen, sondern auch die demokratische Kontrolle über öffentliche Finanzen erleichtern.

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Afrikas Schuldenmärkte sind offenbar größer und komplexer als bisher bekannt. Die Auswertung der Daten zeigt vier zentrale Trends: Erstens haben sich die inländischen Schuldenmärkte – vor allem in Ländern mit mittlerem Einkommen – rasant ausgeweitet. Zweitens bestehen große Unterschiede in den Kreditkosten und Realzinsen. Drittens variieren Laufzeiten und Rückzahlungsrisiken erheblich zwischen den Staaten. Viertens hat die Schuldenlast, insbesondere durch internationale Anleihen, deutlich zugenommen.

»Es wird sichtbar, wie stark afrikanische Staaten heute auf ihre heimischen Kapitalmärkte setzen – und wie ungleich die Bedingungen dafür sind«, sagt Christoph Trebesch. Die neue Datenbank verdeutliche zudem, dass Schuldentransparenz auch »in datenarmen Umfeldern« machbar sei – ein entscheidender Faktor für eine solide Finanzpolitik der Regierungen und makroökonomische Überwachung.

Die Datenbank und das zugehörige Forschungspapier entstanden in gemeinsamer Arbeit eines Teams des Geneva Graduate Institute, des Global Sovereign Advisory, der UN-Wirtschaftskommission für Afrika, der Weltbank, der Aix-Marseille School of Economics und der Munk School an der Universität Toronto. »Der Aufbau der Datenbank bedeutete, Tausende Regierungsdokumente zusammenzuführen und in eine konsistente Datenbank zu überführen«, erklärt Niccolo Rescia, Ökonom bei Global Sovereign Advisory in Paris. Möglich wurde dies auch mithilfe KI-gestützter Texterkennung.

Unterm Strich setzen die Studienautoren ein positives Signal: Die zunehmende Verlagerung hin zu inländischer Verschuldung bietet den Ländern Chancen für mehr finanzielle Eigenständigkeit. Das berge aber auch neue Risiken. So erhöhen kurz laufende Kredite die Gefahr von Finanzkrisen, während hohe inländische Zinssätze die Tragfähigkeit der Schulden belasten können.

Dennoch, »funktionierende inländische Kapitalmärkte sind entscheidend, um lokale Ersparnisse zu mobilisieren und die Abhängigkeit von Entwicklungskrediten (aus dem Globalen Norden) zu verringern«, ist Ka Lok Wong überzeugt, Ökonom bei der UN-Wirtschaftskommission für Afrika. Die Bereitstellung verlässlicher Daten könne künftig das Vertrauen in- und ausländischer Investoren stärken und zur Verbesserung der afrikanischen Finanzmärkte beitragen.

Besonderes Anliegen des Projekts ist die öffentliche Zugänglichkeit der Daten. Die Datenbank ist frei verfügbar online bereitgestellt – inklusive Dokumentation und Quellenverweisen. Das soll nicht allein Forschung und Politikberatung helfen, sondern auch die demokratische Kontrolle über öffentliche Finanzen erleichtern.

Auch in einer weiteren Studie zeichnet das Kieler IfW ein optimistisches Bild. Bis zum Jahr 2029 werden global voraussichtlich 100 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen – davon mehr als 75 Millionen in den 54 Ländern Afrikas. Diese Zahlen basieren auf der Annahme, dass die Entwicklung neuer Jobs weiter so läuft wie bisher. Zwar wachse die Bevölkerung nach wie vor stark, die Wirtschaft wachse aber in vielen afrikanischen Ländern schneller.

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