- Politik
- Gen Z
Nepals Revolte gegen die politische Klasse
Nach einer Internet-Sperre stürmen Jugendliche das Parlament. Ihre Wut richtet sich gegen eine Regierungspartei, die dem Namen nach kommunistisch ist
Im Himalaya-Staat Nepal begann der Aufstand mit Auseinandersetzungen ums Internet. Schon seit Jahren will die nepalesische Regierung Internet-Unternehmen stärker regulieren und besteuern. Vor diesem Hintergrund ließ Ministerpräsident K.P. Sharma Oli Anfang September 26 Plattformen sperren, weil diese sich nicht ordnungsgemäß registriert hatten.
Viele Nutzer*innen waren hingegen überzeugt, es handele sich um Zensur. In den Monaten zuvor waren in Nepal immer wieder Clips viral gegangen, die den Luxuskonsum von Angehörigen führender Politiker kritisierten. In einem Land, in dem das Jahresdurchschnittseinkommen bei 1400 US-Dollar liegt, musste das als Affront wahrgenommen werden.
Auf drei Kontinenten haben in den vergangenen Monaten Angehörige der »Generation Z«, also Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, rebelliert. In Nepal und Madagaskar wurden Regierungen gestürzt. In Marokko, Kenia, Peru und auf den Philippinen haben die Bewegungen die Gesellschaft ordentlich durchgerüttelt. Vielerorts tauchten Motive des japanischen Animes »One Piece« (unter anderem die Piratenflagge) auf den Kundgebungen auf, fast überall spielten soziale Medien eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung. Musikclips bei Tiktok waren wichtiger als politische Reden.
Die Protestbewegungen bezeichnen sich oft selbst als »apolitisch«, womit sie sich vor allem von den Parteien distanzieren wollen. Angeprangert werden fast überall ausufernde Korruption und schlechte Regierungspolitik. Doch dahinter verbirgt sich eine grundsätzlichere Kritik: Die Protestierenden empören sich über wachsende soziale Ungleichheit, staatliche Repression, Polizeigewalt, kaputtgesparte Krankenhäuser, teure Prestigeobjekte und Femizide.
Zwar verflüchtigen sich die Protestbewegungen in der Regel so schnell wieder, wie sie entstanden sind. Doch es bleibt bemerkenswert, dass weltweit Proteste mit ähnlichen Forderungen und gemeinsamen Symbolen entstehen.
Die Regierung schickte die Polizei vor, die am 8. September mehrere Protestierende tötete und bis zu 500 verletzte. Daraufhin eskalierte die Lage: Demonstrierende stürmten das Parlament, Finanzminister Bishnu Prasad Paudel wurde auf offener Straße ausgezogen verprügelt. Daraufhin trat die Regierung von Sharma Oli zurück.
Über den Netzwerkdienst Discard wählte die Protestbewegung die Juristin Sushila Karki zur Nachfolgerin, die vom Parlament auch tatsächlich zur Interims-Ministerpräsidentin ernannt wurde.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Bemerkenswert ist die nepalesische Revolte auch deshalb, weil die politische Landschaft des Landes seit dem Sturz der Monarchie von verschiedenen kommunistischen Parteien dominiert wird. Ministerpräsident Sharma Oli kommt aus der Kommunistischen Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch). Die wichtigste Oppositionspartei ist die maoistische Kommunistische Partei (Maoistisches Zentrum), die bis 2006 bewaffnet gegen die Feudalherrschaft gekämpft und danach einige Jahre mit Sharma Olis Kommunisten in einer Koalition regiert hatte.
Die Gen Z traut diesen Parteien offenbar nicht über den Weg. Im September löste sich das Zentralkomitee des Maoistischen Zentrums deshalb überstürzt auf. Ihr Vorsitzender Pushpa Kamal Dahal erklärte, die Partei »könne nicht länger auf die alte Weise funktionieren«.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.