Berlin: Schnell nach Szczecin frühestens 2030

Baurecht erteilt für letzten deutschen Teil der Bahnstrecke ab Berlin

Schon 2021 begannen die Arbeiten an der Strecke Angermünde-Passow.
Schon 2021 begannen die Arbeiten an der Strecke Angermünde-Passow.

Für den letzten deutschen Abschnitt der Bahn-Ausbaustrecke von Angermünde nach Szczecin gibt es nun ein Baurecht. Vor wenigen Tagen ist ein entsprechender Planfeststellungsbeschluss vom Eisenbahn-Bundesamt veröffentlicht worden.

Für den ersten, 19 Kilometer langen Abschnitt von Angermünde nach Passow hat die Deutsche Bahn bereits seit Juni 2021 Baurecht. Dort ist die Strecke bereits zweigleisig und elektrifiziert. Hier geht es hauptsächlich um eine Erneuerung und die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit von 120 auf 160 Kilometer pro Stunde. Ab Passow bis zur Grenze fehlen sowohl Oberleitung als auch das zweite Gleis. Insgesamt müssen zwischen Angermünde und der polnischen Grenze 49 Kilometer überwunden werden.

Bereits im Oktober haben Baumfällungen im neu genehmigten Abschnitt begonnen, die Hauptbauarbeiten sollen laut Deutscher Bahn im Sommer 2026 starten. Fertig sein soll alles Ende 2027.

Ziel des Ausbaus ist, künftig mit dem Zug in 90 Minuten von Berlin in die rund 125 Kilometer entfernte 390 000-Einwohner-Stadt Szczecin fahren zu können. Dafür soll die neue Linie RE9 eingeführt werden. Die Elektro-Triebzüge, die sowohl unter deutscher als auch polnischer Strom- und Signaltechnik fahren können, sind bereits bestellt und sollen kommendes Jahr geliefert werden. Doch wann sie tatsächlich in den Einsatz kommen können, ist offen.

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»Es muss natürlich auch etwas auf polnischer Seite passieren«, sagt Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. »Zweimal ist die polnische Seite schon bei der EU-Kommission abgeblitzt«, sagt er am Montagabend beim Fahrgastsprechtag des Berliner Fahrgastverbands IGEB. Rund 360 Millionen Euro sollen Ausbau und Elektrifizierung der etwas über zehn Kilometer Strecke bis zum Szczeciner Hauptbahnhof kosten. Im Juli war bekannt geworden, dass auch die zweite Bewerbung um Fördermittel der EU gescheitert ist.

»Jetzt haben sie aber wohl eine Finanzierung anderer Art gefunden und jetzt soll es dann auch losgehen«, berichtet Kaczmarek. Eine nd-Anfrage zu den Details und einem möglichen Fertigstellungstermin des Ausbaus an den polnischen Schienennetzbetreiber PKP PLK ist bisher noch nicht beantwortet worden.

Selbst wenn die Finanzierung bereits sicher sein sollte, dürfte die Strecke nicht vor 2030 fertig werden. Denn Anfang 2025 hieß es, dass eine Eröffnung im dritten Quartal 2029 möglich sei, falls es gelinge, die Planungen und die Genehmigungsverfahren bis Ende des laufenden Jahres abzuschließen. Da war man allerdings noch davon ausgegangen, dass die EU-Fördermittel gewährt werden würden.

Thema des Fahrgastsprechtags ist der Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur in Berlin und Brandenburg, für das die beiden Länder mit der Deutschen Bahn und dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) das Ausbauplanungsprogramm i2030 aufgelegt haben.

Die Plage der permanenten Verzögerungen erfreuen Kaczmarek keineswegs, allerdings sieht er sie immer im Vergleich zum Wiederaufbau der Ferngleise der Dresdner Bahn in Berlin. Zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember soll die Strecke zwischen den Bahnhöfen Berlin-Südkreuz und Blankenfelde in Betrieb gehen. In knapp unter 100 Minuten soll dann vom Berliner Hauptbahnhof Dresden erreicht werden, in etwas über 20 Minuten der Flughafen BER.

»Mein ganzes Berufsleben hat sie mich begleitet«, sagt Alexander Kaczmarek über die Dresdner Bahn. 1996 habe er die erste Bürgerveranstaltung in einem Gemeindezentrum in Lichtenrade dazu absolviert, erinnert er sich. »Ein schreckliches Gebäude aus den 70er Jahren«, wie er anmerkt.

Rund ein Vierteljahrhundert hat es vom Beginn des Planfeststellungsverfahrens gedauert, weil Berlin und insbesondere der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) eine Tunnellösung erzwingen, aber nicht bezahlen wollte. »Da hatten sich Bahn und Politik hoffnungslos verhakt«, sagt Kaczmarek.

»Wenn Politik und Bahn an einem Strang ziehen, kann es auch schnell gehen«, kommt er auf ein erfreulicheres Thema zu sprechen: die Siemensbahn. »Nach wie vor gilt: Zum hundertjährigen Jubiläum 2029 wird die Strecke wiedereröffnet«, berichtet er zur rund 4,5 Kilometer langen S-Bahn-Strecke vom Ringbahnhof Jungfernheide nach Gartenfeld.

Die Wiederinbetriebnahme der Strecke, die im Zuge des Reichsbahnerstreiks 1980 in West-Berlin den Betrieb verloren hatte, ist eng verbunden mit den Entwicklungsplänen des Siemens-Konzerns dort. Ein neues gemischtes Stadtviertel soll auf ehemaligen Produktionsflächen entstehen.

»Wenn Politik und Bahn an einem Strang ziehen, kann es auch schnell gehen.«

Alexander Kaczmarek Deutsche Bahn

»Da kam ein Anruf aus der Senatsverwaltung: Könnt ihr dieses Jahr noch Geld ausgeben an der Siemensbahn?«, berichtet Kaczmarek über den Beginn des Vorhabens. »Und dann kam das Projekt extrem schnell ins Laufen.«

Zwischenzeitlich kamen große Zweifel am Zeitplan auf, da bekannt wurde, dass die Autobahn GmbH des Bundes einen Teil der Strecke als Baustellenzufahrt für den anstehenden Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke im Zuge der A100 nutzen wollte. Doch rechtlich ist die Siemensbahn »heute noch eine aktive Eisenbahnstrecke«, wie Kaczmarek unterstreicht. Das habe man den Autobahnplanern deutlich gemacht. »Wir haben uns inzwischen auf eine gute gemeinsame Lösung geeinigt«, berichtet er.

»So sicher wie bisher noch nie« ist sich Kaczmarek auch, dass der neue S-Bahn-Abzweig von der Ringbahn zum Hauptbahnhof nach vielen Verschiebungen tatsächlich im Frühjahr 2026 in Betrieb gehen soll. Zunächst soll eine neue Linie S15 von Gesundbrunnen über Wedding zum provisorischen Tunnelbahnhof am Hauptbahnhof pendeln.

»Mitte der 2030er Jahre« könnten der definitive Tunnelbahnhof sowie die Weiterführung zum Potsdamer Platz mit Einbindung in die bestehende S-Bahn-Nord-Süd-Strecke in Betrieb gehen. Kaczmarek rechnet mit Baurecht im kommenden Jahr. Dann könne allerdings erst der Antrag auf Bundesförderung gestellt werden. »Es kann passieren, dass wir zwei bis vier Jahre auf einem fertigen Planfeststellungsbeschluss sitzen und darauf warten, mit dem Bau zu starten«, sagt er. Das hänge davon ab, wie lange der Bund über den Förderantrag befinde.

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