Brüssels Versagen ist Moskaus Freude

Daniel Säwert zum US-Friedensplan für die Ukraine

Von Diplomaten wie Katja Kallas bekommt Wolodymyr Selenskyj regelmäßig warme Umarmungen. Für mehr reicht es bei den Europäern aber nicht.
Von Diplomaten wie Katja Kallas bekommt Wolodymyr Selenskyj regelmäßig warme Umarmungen. Für mehr reicht es bei den Europäern aber nicht.

Es war die ungewollteste und unangenehmste Überraschung, die US-Präsident Donald Trump für die Ukraine und ihre europäischen Unterstützer zuletzt zu bieten hatte. Eiskalt erwischte Washington Kiew, Brüssel und Berlin mit dem neuen Friedensplan für die Ukraine und sorgte damit für empörte Panikreaktionen.

Der alte Kontinent, der sich gerne als Vorreiter in Sachen internationale Zusammenarbeit geriert, fühlt sich übergangen und provoziert. Diplomaten und Politiker greifen tief in die Wortkiste für beleidigte Menschen. »Das ganze Papier atmet den Geist, dass Europa nicht verhandeln, sondern einfach folgen soll«, zitiert der »Spiegel« das politische Berlin.

Doch wer soll Europa noch ernst nehmen? All das, was gerade geschieht, auch der neue Friedensplan, war absehbar. Oder man hätte zumindest damit rechnen können. Schließlich ist Trump kein Unbekannter.

Europas Diplomatie ist vom alten weißen Mann aus Washington bloß gestellt worden. Trumps Aktionismus offenbart, wie weit entfernt Europa auch nur vom Gedanken an ein Kriegsende in der Ukraine ist. Schon vom ersten Tag der russischen Invasion vor fast vier Jahren an verschwand das Wort Frieden aus dem Sprachgebrauch. Sieg wurde zum Wort der Stunde, Diplomatie wurde als etwas Unnützes betrachtet.

Anstatt nach einer Lösung zu suchen oder zumindest Gedankenspiele in diese Richtung anzustellen, begnügten sich europäische Politiker mit Solidaritätsbekundungen und Durchhalteparolen. Die Europäer müssen sich vorwerfen lassen, nie einen eigenen Friedensplan vorgelegt zu haben. Wer, außer Kiew, einen vorstellte, wurde als Putin-Freund gegeißelt.

Stattdessen hat Europa gleich einem Ringarzt den angeschlagenen Boxer aus der Ukraine in die Ecke geholt und ihm Riechsalz verabreicht, damit er nicht auf die Bretter geht. In der Hoffnung, dass er die zwölf Runden gegen den russischen Bären durchhält und dann doch irgendwie nach Punkten zum Sieger erklärt wird. Der Kampf aber zieht sich weiter in die Länge; und mit jedem Tag scheint ein K.o. wahrscheinlicher als ein Punktsieg.

Und die Europäer zeigen sich weiter unfähig, eine Friedensidee auch nur zu entwickeln. »Die Europäer kriegen es mal wieder nicht gebacken«, fasst Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger Moskaus Sicht im »Stern« zusammen. Ähnlich dürfte man in Washington denken. Deshalb sprechen Russland und die USA lieber miteinander als mit den armseligen Europäern, die zum Zuschauen verdammt sind.

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