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Bundesregierung bauchpinselt Taliban
Als einziger EU-Staat akkreditiert Deutschland Vertreter der neuen Regierung in Afghanistan
Die Bundesregierung hat bei ihren Verhandlungen mit den Taliban über künftige Abschiebungen nach Afghanistan weitere Zugeständnisse gemacht. Wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, werden den dortigen Behörden vor der Maßnahme Details zu den Straftaten der Betroffenen mitgeteilt. Dies bestätigte Anfang November auch eine Staatssekretärin im Innenausschuss des Bundestags. Eine solche Datenübermittlung könne laut Bundesinnenministerium auf Grundlage des Bundespolizeigesetzes durchgeführt werden.
Das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Ministerium verlässt sich nach zwei durchgeführten Abschiebeflügen auf die Zusage der Taliban, dass die Menschen nicht ein zweites Mal für dieselbe Straftat bestraft würden. Gleichzeitig räumt es ein, keinerlei Kontrollmöglichkeiten zu haben: Die deutsche Maßnahme ende »mit der Rückübernahme im Heimatland«. Auch ein vom »Spiegel« berichtetes, geplantes Wiedereingliederungsprogramm für Straftäter sei »zum aktuellen Zeitpunkt nicht vorgesehen«.
Die Kontakte zwischen Bundesregierung und Taliban haben sich in den vergangenen Monaten intensiviert. Anfang Oktober 2025 reisten je zwei Angehörige des Innenministeriums sowie der Bundespolizei nach Kabul, um »logistische Fragen« für weitere Abschiebungen zu klären. Das Ministerium bezeichnet diese Treffen als Gespräche »unterhalb der politischen Ebene«. Weiterhin erkenne die Bundesregierung die De-facto-Machthaber nicht als legitime afghanische Regierung an.
Tatsächlich hat das Auswärtige Amt jedoch bereits zwei von den Taliban entsandte Vertreter als Konsularbeamte in Berlin und Bonn akkreditiert – ein innerhalb der EU einmaliger Vorgang. Der Antwort zufolge hätten nur Länder wie China, Russland, Iran, Saudi-Arabien, Pakistan und die Türkei diesen Schritt vollzogen.
Das bisherige Personal des Bonner Generalkonsulats, das noch von der vorherigen afghanischen Regierung eingesetzt worden war, erklärte daraufhin geschlossen seinen Rücktritt. Der ehemalige Generalkonsul wollte anschließend sämtliche Vermögenswerte und Dokumente dem Auswärtigen Amt übergeben, um sie vor dem Zugriff der Taliban zu schützen – ohne Erfolg. Weil es sich um »innerafghanische Vorgänge« handele, sei der frühere Generalkonsul an die neue Taliban-Botschaft in Berlin verwiesen worden.
Auf die Frage, ob sie geprüft habe, ob unter ihren Gesprächspartnern in Afghanistan international mit Haftbefehl gesuchte Personen waren, antwortet die Bundesregierung nicht. Sie räumt aber ein, dass sich »die allgemeine Menschenrechtslage in Afghanistan seit der faktischen Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 kontinuierlich verschlechtert, vor allem für Frauen und Mädchen«. Seit 2021 sei die Todesstrafe in Afghanistan elfmal vollstreckt worden, es gebe Berichte über Folter.
Die Linke-Abgeordnete Clara Bünger kritisiert die deutsche Afghanistan-Politik scharf. Die Bundesregierung habe die Mitarbeitenden des ehemaligen Generalkonsulats in Bonn auflaufen lassen. »Während afghanische Konsularbeschäftigte Werte von Demokratie, Menschenrechten und Freiheit hochhalten, paktiert die Bundesregierung mit einem Terror-Regime, um Menschen in ein Land abschieben zu können, in dem diese Werte nichts zählen«, sagte Bünger dem »nd«. Es sei »in jeder Hinsicht falsch, in dieses Land abzuschieben«.
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