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Olympia-Bewerbung: Leipzig will es besser machen

Gut 20 Jahre nach der gescheiterten eigenen Bewerbung versucht sich die Messestadt als Juniorpartner von Berlin

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 6 Min.
In der Wildwasseranlage in Markkleeberg könnten der olympische Kanuslalom und der Kajak-Cross-Wettbewerb stattfinden.
In der Wildwasseranlage in Markkleeberg könnten der olympische Kanuslalom und der Kajak-Cross-Wettbewerb stattfinden.

Von der Leipziger Bewerbung aus den Jahren 2003 und 2004 für die Olympischen Spiele 2012 haben viele Zeitzeugen einige ikonische Szenen und prägende Fakten im Kopf. Der Cello spielende Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee und Leipziger Sportstudenten beim Nonstop-Staffellauf durch die Stadt gehören ebenso dazu wie Stasi-Skandale und Untreuevorwürfe; selbst Leipzigs derzeitiger Oberbürgermeister und damaliger Olympiabeauftragter Burkhard Jung geriet wegen der Genehmigung dubioser Provisionszahlungen unter Druck und musste seine Ämter zwischenzeitlich ruhen lassen.

Monument der damals letztlich krachend gescheiterten Bewerbung ist der knapp eine Milliarde Euro teure City-Tunnel, eine Art Mini-U-Bahn für den Leipziger S-Bahn-Verkehr. Alles in allem herrscht in der Rückschau der Eindruck vor, dass sich das im Vergleich mit den Metropolen dieser Welt eher kleine Leipzig am Großprojekt Olympia mächtig verhoben hatte.

Fußball in der Leipziger Arena, Kanu in Markkleeberg

Gut 20 Jahre später nun will es Leipzig besser machen. Als Juniorpartner der Berliner Olympiabewerbung für die Spiele 2040 oder 2044 will die Messestadt den Traum von der Olympiaausrichtung noch einmal wiederbeleben. 2036 steht zwar auch noch zur Debatte, sollte sich aber einerseits aus Zeitgründen und andererseits wegen der historischen Parallelen zu den Nazi-Spielen 1936 verbieten. Per Stadtratsbeschluss holte sich die Stadtverwaltung das Mandat, sich als Teil der Berliner Kampagne zu positionieren.

Welche Wettkämpfe in Sachsen stattfinden würden, ist noch unklar. Leipzig bringt sich für Gewichtheben, Ringen und Fechten sowie Volleyball, Fußball, Handball, Basketball und BMX ins Spiel. Bei Paralympischen Spielen sind Rollstuhlfechten und Rollstuhlrugby im Gespräch. Und auf der Wildwasseranlage in Markkleeberg könnten Kanuslalom und Kajak-Cross stattfinden. Als Austragungsorte stehen neben dem Kanupark die Neue Messe, Red-Bull-Arena, die Quarterback-Immobilien-Arena, eine neue Ballsporthalle und der sogenannte Kohlrabizirkus für Trendsportarten zur Debatte.

Ein Olympiabeauftragter von der Linken

Bereits im September des kommenden Jahres soll aus den vier Kandidaten Berlin+, Hamburg, München und Rhein-Ruhr der deutsche Bewerber gewählt werden. Noch aber ist das Thema nicht in der öffentlichen Debatte in Leipzig angekommen. Als die Linke Ende November den Auftakt mit einer Podiumsdiskussion an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig machte, verloren sich etwa 30 Personen in dem 500 Menschen fassenden Hörsaal. Dabei ist es durchaus spannend, wie sich die Partei zur Olympiafrage verhält. Heiko Rosenthal, zurzeit Olympiabeauftragter der Stadt, Bürgermeister für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport sowie Mitglied der Linkspartei, steht voll hinter der Idee und argumentierte einerseits mit positiven Effekten für die Stadtentwicklung und andererseits mit der Notwendigkeit Olympischer Spiele für den Stellenwert des Sports hierzulande.

»Der Sport ist in diesem Land zurzeit nicht gut aufgestellt. Es braucht eine Verständigung: Was wollen wir eigentlich im deutschen Sport?«, fragte Rosenthal. »Ich glaube, dass eine Olympiabewerbung in Deutschland Diskussionen darüber, wie wir Sportpolitik in die Lage versetzen, Defizite aufzudecken und damit umzugehen, befeuern würde.« Durch eine deutsche Olympiabewerbung würden sich »auch Breiten- und Schulsport wieder in eine völlig andere Richtung bewegen«, argumentierte Rosenthal. Es sei »schlichtweg unterbelichtet, was wir diesbezüglich als Gesellschaft leisten. Wir sollten Sport als sozialen Anker in unserer Gesellschaft jenseits von Profisport viel stärker in den Fokus rücken.«

Kritik aus Hamburg und Berlin

Seine Parteikollegen aus den Bewerberstädten Berlin und Hamburg hingegen konterten, dass es dafür keiner Olympiabewerbung bedürfe. »100 Prozent Ja zum Sport und Nein zu Olympischen Spielen«, sagte etwa Heike Sudmann, Fraktionsvorsitzende der Linken in Hamburg. Olympische Spiele seien in der Vergangenheit von finanzieller Intransparenz und Kostenexplosionen gekennzeichnet gewesen und hätten als angeblicher Booster für Wirtschaftswachstum und Breitensport nur wenig gebracht. Auch Kristian Ronneburg, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, lehnt die Berliner Olympiabewerbung in der aktuellen Form komplett ab. »Wir haben einen Milliardensanierungsstau in Berlin, müssen jetzt diese Hausaufgaben lösen«, sagte er. Olympiafantasien lenkten nur von den realen Problemen ab.

Rosenthal hingegen betrachtet die Partnerschaft mit Berlin als perfekte Chance für den nächsten Investitionsschub und Impuls für die Sportstadt Leipzig. So sollen in Leipzig das S-Bahn-Netz und der öffentliche Nahverkehr ertüchtigt werden; Fahrradstraßen von der Neuen Messe im Norden bis nach Markkleeberg im Süden sollen ebenso entstehen wie Spuren für autonomes Autofahren – die sogenannte Olympic Lane auf der B2. Zudem wäre der Bau eines Olympischen Dorfes im Stadtteil Mockau geplant, das nach den Spielen in sozialverträglichen Wohnraum umgewandelt würde.

Kosten sind bisher völlig unklar

»Skepsis ist nachvollziehbar, Olympische Spiele waren in der Vergangenheit häufig mit Kostenexplosionen, Verdrängungseffekten, Eingriffen in öffentliche Räume und einem erheblichen Demokratiedefizit verbunden«, räumt Rosenthal auf Nachfrage ein. Doch man wolle mit der aktuellen Strategie aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. »Entscheidend ist, dass in der Zukunft verbindliche soziale Garantien abgegeben werden, eine klare Kosten- und Transparenzkontrolle erfolgt sowie eine demokratische Legitimation die Bewerbung untermauert«, argumentiert er. »Unsere Beteiligung steht nicht für bedingungslose Zustimmung, sondern für den Anspruch, andere Olympische und Paralympische Spiele einzufordern – sozial, nachhaltig, transparent und demokratisch.«

Doch von dieser Transparenz ist noch nicht viel zu merken. So sind etwa mögliche Kosten völlig unklar. Zwar würden 90 Prozent der Infrastrukturmaßnahmen von Bund und Land übernommen. Doch welche Summe Leipzig selbst stemmen müsste, kann Rosenthal nicht einmal schätzen, da dies von der »finalen Konzeption« der Berlin+-Bewerbung abhängig sei.

Leipziger Sportvereine sollen eingebunden werden

Lisa Falkowski vom Umwelt- und Naturschutzverband BUND Leipzig kritisiert gerade diese Intransparenz. »Es gibt keine öffentlich zugänglichen Pläne und keinen Finanzrahmen«, sagt die Vorständin. »Wir haben derzeit eine Haushaltssperre in Leipzig, es gibt keine Fördergelder mehr, viele Vereine und Kulturbetriebe kämpfen ums Überleben, aber für Olympische Spiele steht Geld in ungewisser Höhe zur Verfügung.« Falkowski warnt davor, dass durch Olympische Spiele Mieten noch weiter steigen. Zudem gebe es bislang kein Nachhaltigkeitskonzept.

Bei einem initiierten Stakeholder-Prozess samt Workshop im September mit Vertretern aus Sport, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft war der BUND nicht geladen. »Es braucht eine öffentliche Debatte und Bürgerbeteiligung, um auch kritische Stimmen zu hören«, fordert Falkowski deswegen. Im Februar will die Stadt zumindest die Leipziger Sportvereine einbinden. Man kann davon ausgehen, dass auch bei dieser neuerlichen Bewerbung ein paar prägende Bilder und Fakten im kollektiven Gedächtnis der Stadt hängenbleiben werden.

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