Undurchsichtige Polizei-Allianz

Deutschland und Israel vertiefen Sicherheits­koope­ration – Polizeipräsidenten reisen nach Tel Aviv

Der Bundesinnenminister zu Besuch bei Benjamin Netanjahu. Ein umfangreicher »Cyber- und Sicherheitspakt« mit Israel steht vor dem Abschluss.
Der Bundesinnenminister zu Besuch bei Benjamin Netanjahu. Ein umfangreicher »Cyber- und Sicherheitspakt« mit Israel steht vor dem Abschluss.

Die Bundesregierung hat die militärische, polizeiliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Israel in den vergangenen Jahren kontinuierlich vertieft. Dazu gehören gemeinsame Ausbildungsprogramme, die Beschaffung von Ausrüstung bis hin zu Fachgesprächen in sensiblen Bereichen wie Cyberabwehr, Künstliche Intelligenz und »Gefangenenwesen«. Die Linksfraktion im Bundestag hatte sich in einer Kleinen Anfrage über Inhalte und Ausgestaltung der Kooperation erkundigt. Die Antwort des Innenministeriums liegt nun vor – und wirft neue Fragen auf, da wesentliche Angaben entweder verschwiegen oder nur ausweichend beantwortet werden.

Neben dem Bundeskriminalamt (BKA) ist auch die Bundespolizei in gemeinsame Projekte eingebunden. So war beim Besuch des umstrittenen israelischen Polizeichefs Daniel Levy Anfang September 2025 ein Austausch mit dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum in Berlin und mit der Bundespolizeidirektion in Potsdam vorgesehen. Welche Themen mit den Führungskräften »aus verschiedenen Bereichen der israelischen Polizei« behandelt oder welche Vereinbarungen getroffen wurden, bleibt unklar. »Gegenseitige Austauschformate im Bereich der Bundesbereitschaftspolizei und der Spezialkräfte der Bundespolizei« seien jedoch längst etabliert.

Vergangene Woche war auch eine deutsche Polizeidelegation aus den 16 Bundesländern zu einer internationalen »Sicherheitskonferenz« nach Tel Aviv gereist. Der Blog »Itidal« berichtet darüber nun Details: Demnach habe die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik als Vorsitzende der Polizeipräsidentenkonferenz daran teilgenommen. Die Reise sei auf Einladung und Kosten des Staates Israel erfolgt. »Itidal« zufolge hätten zwölf israelische »Waffenhersteller« Produkte auf der »Sicherheitskonferenz« präsentiert.

Laut Dokumenten wurden mit den deutschen Polizeipräsident*innen eine »Hamas-Bedrohung in Deutschland« und die Aufforderung, strenger gegen Israel-Kritik in sozialen Medien vorzugehen, diskutiert. Auch Drohnen und ihre Abwehr seien behandelt worden – in diesem Bereich »verfügen die israelischen Sicherheitsbehörden über Fachexpertise«, wie auch das Bundesinnenministerium in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage bekräftigt.

Im Juni 2025 hatte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dazu einen umfassenden »Cyber- und Sicherheitspakt« mit Israel angekündigt, der Schutz kritischer Infrastruktur, Bevölkerungsschutz und Drohnenabwehr umfassen soll. Details will das Ministerium auch auf nd-Anfrage nicht mitteilen. Eine gemeinsame Absichtserklärung befinde sich »derzeit in der Schlussabstimmung«.

»Die Bundesregierung reduziert die parlamentarische Kontrolle auf Leerformeln und hält sicherheitspolitische Kooperationen mit Israel gezielt intransparent«, kritisiert die Linke-Abgeordnete Lea Reisner, von der die Kleine Anfrage stammt. Das sei besonders skandalös, »weil Israel mit seiner Besatzungs- und Siedlungspolitik fortlaufend internationales Recht verletzt«.

Das Innenministerium betont jedoch, dass sich die Zusammenarbeit mit Israel »nicht auf Gebiete erstreckt, die nach dem 5. Juni 1967 Teil des Verwaltungsgebiets des Staates Israel geworden sind«. Gleichzeitig kündigt es aber an, die Palästinensische Behörde »auf dem Weg zur Verwirklichung des völkerrechtlich verbrieften Selbstbestimmungsrechts« unterstützen zu wollen. Deutschland wolle sich dazu an der Umsetzung des 20-Punkte-Planes des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen beteiligen – unter anderem durch die Unterstützung von Ausbildungsmaßnahmen künftiger palästinensischer Polizei- und Sicherheitskräfte.

Nach Informationen des »nd« betrifft dies vor allem die EU-Mission EUPOL COPPS in der Westbank, die eine führende Rolle bei der Ausbildung der palästinensischen Polizeikräfte im Gazastreifen übernehmen soll. Europäische Polizeiausbilder sollen Curricula entwerfen und am Palestine College for Police Sciences in Jericho umsetzen. In einem ersten Schritt betrifft dies etwa 3000 palästinensische Polizeibeamte aus Gaza; langfristig soll eine Polizeitruppe von rund 13 000 Kräften ausgebildet werden.

Die Ausbildung unter Beteiligung der Bundespolizei könnte neben grundlegenden polizeilichen Fähigkeiten verschiedene Bereiche abdecken. Einige Maßnahmen sollen auch außerhalb des Westjordanlands stattfinden, möglicherweise in Ägypten und Jordanien. Wenn sich die Bundespolizei daran beteiligt, müssen Statusabkommen mit den jeweiligen Regierungen geschlossen werden, die dem deutschen Personal Vorrechte und Immunitäten gewähren.

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