Park und Stück

Neuhardenberg:

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht nur mit seinen Kunstfest-Jahrgängen in Weimar hatte Bernd Kauffmann das außergewöhnliche Ereignis an den außergewöhnlichen Ort gebracht. Als Generalbevollmächtigter der Stiftung Schloss Neuhardenberg ist das auch sein Programm für diesen einsamen Kulturleuchtturm im als Theaterland doch recht verödeten Brandenburg. Christoph Schlingensief, Jonathan Meese oder Martin Wuttke standen hier in den letzten Jahren für herausfordernd Experimentelles.

Dagegen nimmt sich Volker Schlöndorffs aktuelle Tolstoi-Inszenierung geradezu staatstragend aus. Schon, weil sie als kulturelle Unterfütterung des Petersburger Dialoges 2006 in Dresden mit dem Segen von Bundeskanzlerin und russischem Präsidenten auf den Weg gebracht wurde und Anfang September mit russischen Untertiteln beim Kooperationspartner »Landgut Lew Tolstoi Jasnaja Poljana« zu sehen sein wird.

Schlöndorff versucht, die russische Landluft des 19. Jahrhunderts geradezu zu inhalieren. Auf dem Spielpodest mit mehreren beweglichen Wänden von Mark Lammert. Unter der großen Buche, mit dem müßiggängerischen Anmarsch des historisch korrekt kostümierten Personals über die Wiese, von der Seite her. Und mit einem Hans-Michael Rehberg, der, auch in physiognomischer Nähe zu Tolstoi selbst, die Empörung dieses Autors und seines Bühnenwiedergängers Nikolai Inwanowitsch Sarynzew über die Ungerechtigkeit der Welt hinausschleudert. Um dann alsbald den Revoluzzer mit missionarischem Eifer zu geben, der mit der Verteilung seines Landes an seine Bauern anfängt.

Freilich wird die in ihrer umstürzlerischen Grundsätzlichkeit kaum zu toppende Eigentumsfrage in diesem analysefernen, diskursresistenten Behauptungsfuror eigentlich nie mehr als eine moralisierende Schnapsidee eines alten Mannes. Der seine ganze Umgebung damit auf Trapp hält. Und mit Nachsicht, aber konsequent zur Raison gebracht wird. Vor allem von seiner Frau Marja. Weil die von Angela Winkler gespielt wird, kommt auch etwas nachvollziehbares Leben, Leiden, Kämpfen, Verzweifeln und Lieben ins Spiel. Durch scheue Blicke, unterdrückte Wut, gebändigte Kraft.

Vor allem das lohnt den Abend. Der sonst mit heiteren Momenten geizt. Bei einer Schachpartie zwischen Nikolai und seinem Schwager Pjotr (Max Hoff) bietet er dann doch einen, wenn der nämlich mit einem ziemlich modernen Frauenbild den voremanzipatorischen Klischees widerspricht.

Neben der Resolutheit von Traute Hoess als Fürstin Tscheremschanowa und der attraktiven Bodenständigkeit von Naomi Krauss als Marjas Schwester haben es die Jungen im Ensemble schwer. Selbst Schlöndorffs noble Verpackung macht eben aus einem Stück, das eher eine Art Hochhuth-Vorläufer ist, keine Tschechow Konkurrenz.

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