Logik in der Logistik

Frauen verdienen in Deutschland fast ein Viertel weniger als Männer

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
Frauen verdienen weniger als Männer – leider ein alter Hut. Die Einkommensrückstände steigen sogar mit der Berufserfahrung, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung im Auftrag des Bundesfrauenministeriums zeigt, die gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Frauen verdienen beim Einstieg in den Beruf deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Einkommensrückstand – wissenschaftlich Gender Pay Gap – ist in der Energiewirtschaft oder dem Transport- und Logistikgewerbe besonders gering. In Kredit- und Versicherungsunternehmen treibt er mit mehr als 20 Prozent allerdings fröhliche Urständ. In keiner Branche, so die Experten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), deren Daten aus einer langjährigen Online-Erhebung stammen, erreichen Frauen die Einkommen von Männern.

Durchschnittlich werden Frauen mit einer Berufserfahrung von bis zu drei Jahren gegenüber männlichen Kollegen mit einer 18,7 Prozent geringeren Bezahlung abgespeist. Während die Logik geböte, dass nach vier bis zehn Jahren im Job die Vergütung steigt, wächst der Lohnabstand der Frauen zu den Männern in dieser Zeit aber noch einmal auf 21,8 Prozent. Eine Ausnahme bilden die östlichen Bundesländer, in denen sich die Einkommenskluft mit wachsenden Berufsjahren schließt. Einen Grund dafür sieht Christina Klenner vom WSI in der Höhe der Einkommen. Je geringer sie seien, desto größer sei die Annäherung. Man werde dies noch genauer untersuchen. Klenner wies auch darauf hin, dass schlecht bezahlte Minijobs nach wie vor eine Frauendomäne seien.

Deutschland liegt bei den Einkommensunterschieden zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten im oberen Drittel, mit 9,4 Prozent sind sie in Belgien wesentlich geringer, während sie mit 30,4 Prozent in Spanien noch deutlich größer sind. Je größer übrigens der Betrieb, desto größer ist der absolute Einkommensrückstand. Er sinkt, wenn Betriebsräte und Tarifbindungen vorhanden sind. Christina Klenner zufolge belegen Studien, dass frauentypische Arbeiten geringer bewertet werden als männerspezifische. Steuer- und Sozialleistungssysteme unterstützten die Ehe und wirkten ebenfalls auf Lohnunterschiede hin.

Für WSI-Projektleiter Reinhard Bispinck verweisen die Ergebnisse der Untersuchung auf das Fortbestehen geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung. Der Einkommensabstand sei weder durch unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen von Frauen noch durch deren spezifische Berufswahl vollständig zu erklären.

Seit Jahren besteht in Sachen Frauenverdienste Handlungsbedarf in Deutschland, aber ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft scheiterte 2001 am damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Das Gleichstellungsgesetz aus dem Jahr 2006 schreibt lediglich fest, dass sich die einzelne Person gegen Lohndiskriminierung wehren kann, enthält aber keine aktiven Ansätze zur Verbesserung der Situation. Ein Vorschlag des scheidenden SPD-Arbeitsministers Olaf Scholz über Gesetzesänderungen, die das Einklagen angemessener Gehälter für Frauen erleichtert hätten, verschwanden in der Schublade. Dass sie ausgerechnet das kommende Regierungsbündnis wieder hervorholt, ist vollkommen unwahrscheinlich. Politik müsse sich aber von der Freiwilligkeit wegbewegen und in einem Gesetz strikte Maßnahmen ergreifen, um die Diskriminierung von Frauen zu beseitigen, so das Fazit der Wissenschaftlerin Astrid Ziegler vom WSI.

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