Wenn »Hamburgs regierender Götterkreis« feiert

Das Traditionelle Matthiae-Mahl stößt in der Hansestadt auf Kritik / Kosten sollen mit Eintrittsgeldern finanziert werden

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz Wirtschaftskrise – der Hamburger Senat will es im Februar wieder so richtig krachen lassen: Sein alljährlich zelebrierter Elitenschmaus kostet den Steuerzahler 107 400 Euro. Viele Hamburger meinen, die geladenen Reichen und Schönen sollen ihre Zeche gefälligst selber zahlen.

400 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und dem konsularischen Korps werden am 19. Februar beim viergängigen Matthiae-Mahl zartes Hummer- und anderes Fleisch auf ihren Gourmet-Zungen zergehen lassen und es mit erlesenen Weinen herunterspülen.

Das Festmahl sei »wie geschaffen«, findet Bürgermeister Ole von Beust (CDU), um sich »Zuversicht zu vermitteln und gegenseitiger Unterstützung zu versichern«. Erwerbslose und Hartz-IV-Betroffene, denen für die Ernährung eines Kleinkindes ein Tagesbudget von 2,59 Euro zur Verfügung steht, könnten Böses bei derart mehrdeutigen Worten des Gastgebers denken. Denn keiner all derer, die dringend »Zuversicht« und »Unterstützung« brauchen, hat Zutritt zu der festlich geschmückten Hamburger Tafel für die Reichen.

»Wenn der Senat einerseits das Essensgeld in Krippe, Kita und Hort erhöht und damit vor allem die sozial Benachteiligten weiter belastet, andererseits aber für eher wohlhabende Bürger und Bürgerinnen auf Kosten der Öffentlichkeit ein Festmahl ausrichtet, dann nenne ich das schamlos«, bringt Christiane Schneider, Vizechefin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, das Problem auf den Punkt.

Die Matthiae-Mahlzeit ist historisch zurückzuverfolgen bis 1356 und gilt als ältester noch zelebrierter Festschmaus der Welt. Seinen wohlklingenden Namen hat das große Fressen aus dem Kalender: Der Mattias-Tag (24. Februar) war im Mittelalter das Datum des Frühlingsanfangs, an dem die Dienstboten gewechselt, aber auch der Bürgermeister neu gewählt wurde. Zu diesem feierlichen Akt werden, laut Protokoll, »Vertreter von Hamburg freundlich gesonnenen Mächten« eingeladen.

In den vergangenen Dekaden zählten Promis wie Königin Silvia von Schweden, Steffi Graf und Fürst Ferdinand von Bismarck dazu. In diesem Jahr werden Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler und Ungarns Staatspräsident Lászó Sólyom erwartet – die Veranstaltung ist »Europas friedlicher Revolution 1989« gewidmet.

Bekanntlich hält es der Hamburger Senat weniger mit dem Lumpenproletariat als mit Lukullus. Entsprechend orientieren sich die Gastgeber der »Elitenspeisung« (Christiane Schneider) an feudalistischen Maßstäben: Allein für den Blumenschmuck werden 5100 Euro aus der Staatskasse locker gemacht. Da die Stadtherren für diesen Festtag den opulenten Silberschatz des Rathauses auspacken lassen – Tafelaufsätze, Pokale, Schalen –, beginnen die Vorbereitungen bereits zwei Wochen vor dem Fest. 1000 Silberbestecke müssen auf Hochglanz gebracht werden. So wundert es auch nicht, dass die Personalkosten rund 43 000 Euro betragen. Allerdings: Wurden im 18. Jahrhundert noch extra Kompositionen für die Tafelmusik in Auftrag gegeben, mit denen »Hamburgs regierender Götterkreis« lobpreist wurde, begnügt man sich heutzutage mit der Aufführung der Klassiker: Telemann, Bach und Mozart.

Die Kritiker tröstet diese Bescheidenheit wenig. Auch sie pochen auf die Tradition und erinnern daran, dass der Senat seinen Untertanen die Kostenlast des Mahls nur unter der Voraussetzung aufbürden wollte, »wenn die Zeitläufe es erlauben«. Laut einer aktuellen Umfrage des Hamburger Abendblatts finden 61 Prozent der Leser: Die heutige Zeit erlaubt es nicht. Die LINKE-Fraktion fordert nun in ihrem Antrag an die Bürgerschaft, dass »die Kosten des Matthiae-Mahls durch die Erhebung von Eintrittsgeld aufzubringen« sind.

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