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Freude und Trost

Krenek-Projekt mit der Kammersymphonie Berlin

  • Stefan Amzoll
  • Lesedauer: 2 Min.

Krenek, Milhaud, Weill – wer denkt da nicht an Asphaltklänge, Musik der Spelunken, das leichte Potpourri, den Jazzimport während der 20er Jahre. Komponisten haben solch Material geschickt eingewoben. Ohne mit der Wimper zu zucken. In ihre hehre Konzertmusik. Das veränderte dieselbe, für romantische Konzertgänger oft nicht erträglich, so sehr wie ihre Schöpfer, und verjüngte sie. Ernst Kreneks Jazzoper »Jonny spielt auf« (1924) galt als supermodern und war seinerzeit so erfolgreich wie keine andere Oper. Wenn einer Wagner nicht ausstehen konnte, dann Darius Milhaud. Milhauds wohl beste Arbeit, die Ballettmusik »La Création du monde«, steht restlos quer zur hypertrophen Symphonik der Strauss oder Pfitzner. Schlichte, fassliche, nichts desto weniger raffinierte Stücke produzierte bekanntlich auch Kurt Weill. Das war Zug der Zeit. Einer Zeit schreiender Widersprüche.

Die Kammersymphoniker unter Jürgen Bruns musizierten ihr gehobenes Asphaltprogramm voller Spiellaune. Die »Golden Twenties« spendeten ein bisschen Freude und Trost. Aber Vorsicht. Allzu leicht wird die Epoche nach der »Urkatastrophe« des 20. Jahrhunderts verklärt. Die Weimarer Republik trug in sich Möglichkeit und Fluch. Was an Musikimporten originär schien, ging durch die Mühlen der neuen Medien Schallplatte, Radio, Film. Auch Mittel der Verwurstung, der Deformation. Oft blieb nicht viel übrig vom Ursprünglichen.

Sublimation hingegen bei den meisten aufgeführten Kompositionen. Ihr gemeinsamer Nenner: Jazz-Idiome sinnfällig zu mobilisieren. Von Krenek kamen zwei – diametrale – Stücke. Das Concertino für Kammerorchester beschäftigt auch Solisten, Klavier und Flöte. Die Toccata zu Beginn ist ein Marsch, nicht ohne Züge der Trauer. Dem seltsamen Scherzo fehlt leider der Biss. Etwas schwerblütig sodann das Air, ein stimmlich ausgewogenes Trio aus Flöte, Geige, Klavier. Sarabande-Charaktere Bachs ließen hier grüßen. Richtig zur Sache geht es im Finalsatz, eine Jazzidome kräftig verwebende Musik, polyphon, polyrhythmisch. Schunkelig die Krenek-Nummer »Leb wohl, mein Schatz«. Blues aus der »Jonny«- Oper.

Darius Milhauds »La Création du monde« endet, als schiene die Musik erlöst worden zu sein von dem, was sich zuvor in raffiniert zusammengewürfelten, abwechslungsreichen, intriganten Formen abgespielt hat. Jazzsplitter leuchten darin. Permanent wechselnde Rhythmen funkeln wie Kristalle.

Zu guter Letzt Kurt Weills »Dreigroschenmusik«. Auch hier die Kammersymphoniker ganz in ihrem Element. Das Werk stellt höchste geistige, technische Anforderungen. Stimmt der Gestus nicht oder die Auffassung einer Phrase, ja eines einzelnen Tons, kann die Aufführung kippen. Hier klappte alles.

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