Zugang zu europäischen Energiemärkten
Venezuela und Belarus wollen ihre »strategische Zusammenarbeit« weiter ausbauen
Der Besuch der Gasförderanlagen am nördlichen Orinoco war für Alexander Lukaschenko eine harte Prüfung. 40 Grad Celsius, scherzte der belorussische Präsident, das sei »eine grauenhafte Hitze« für einen Besucher aus dem Norden. Er könne das gut verstehen, gab Gastgeber Hugo Chávez in gewohnter Schlagfertigkeit zurück. Bei seinem letzten Besuch in Minsk sei die Kälte für ihn als Tropenmenschen auch unerträglich gewesen.
Zwischen den beiden Staatschefs aber herrschte gutes Klima. Am Ende seines mehrtägigen Besuches in Venezuela hatte Lukaschenko knapp zwei Dutzend Kooperationsverträge unterzeichnet. Im Oktober, so wurde vereinbart, wird Chávez nach Minsk reisen, um die »strategische Zusammenarbeit« weiter auszubauen.
Im vergangenen Jahr betrug das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten nach offiziellen Angaben umgerechnet gut 145 Millionen Euro. Mit der Unterzeichnung der neuen Abkommen könnte diese Summe erheblich gesteigert werden, hieß es aus Regierungskreisen. Dies machen die Beteiligten vor allem an neuen Erdöl- und Erdgasgeschäften aus. Gemeinsam wollen beide Staaten im Orinoco-Becken »nicht assoziiertes Gas« (rohes Erdgas, das keine Kohlenwasserstoffflüssigkeiten enthält, d.Red.) fördern. Das neu gegründete Joint Venture Bielovenezolana soll im kommenden Jahr 200 Millionen Kubikfuß (gut 5,66 Millionen Kubikmeter) an die Erdoberfläche bringen. In Caracas wurde zudem vereinbart, dass Venezuela täglich 80 000 Barrel (à 159 Liter) Erdöl nach Belarus verschifft. Die Liefervereinbarung ebnet Venezuela nach Einschätzung der kubanischen Nachrichtenagentur »Prensa Latina« den Weg auf den europäischen Energiemarkt. »Wir werden erstmals Erdöl nach Belarus liefern und das wird ein lang angelegtes Abkommen«, bestätigte Chávez dieses Urteil.
Das osteuropäische Land erhoffe sich umgekehrt, über Venezuela neue Absatzmärkte in Lateinamerika erschließen zu können. So wurde im Rahmen der bilateralen Vereinbarungen eine Vertriebsfirma für belorussische Produkte, vor allem aus dem technischen Bereich, gegründet. Zu den strategischen Zielen zwischen Caracas und Minsk gehört auch die Zusammenarbeit im Wohnungsbau. Die Regierung versucht so, Alternativen zu den ausgedehnten Armensiedlungen an den Rändern der Großstädte zu schaffen.
Neu ist auch das Vorhaben, in Venezuela mit belorussischer Hilfe Fabriken zur Produktion von Traktoren, Bussen und Lastkraftwagen zu errichten. Mehr als 800 Busse und 500 Baumaschinen kauft Venezuela vom belorussischen Hersteller Belsarubeshstroi. Die Produkte aus der ehemaligen Sowjetrepublik hätten eine hervorragende Qualität, versicherte der Minister für staatliche Bauvorhaben, Diosdado Cabello. In der Tat verfügt Belarus bis heute über eine ausgeprägte Landmaschinenindustrie, die Minsker Traktorenwerke sind mit gut 20 000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber.
Während einer Sondersitzung der Nationalversammlung in Caracas bot Lukaschenko zudem Venezuela auch Hilfe beim Ausbau eines einheitlichen nationalen Verteidigungssystems an.
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