BGH kratzt an der Ölpreisbindung von Erdgas

Erneut verbraucherfreundliches Urteil aus Karlsruhe / Wirkungen dürften eher gering sein

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Ölpreisbindung bei Erdgas ist in die Jahre gekommen – auch aus juristischer Sicht.

Karlsruhe (ND-Stenger/dpa). Gasversorger dürfen ihre Preise nicht mehr ausschließlich an die Entwicklung des Preises von extra leichtem Heizöl binden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Mittwoch entschieden und damit die Rechte der Gaskunden gestärkt. Die Karlsruher Richter erklärten, die alleinige Bindung an diesen Faktor benachteilige die Kunden unangemessen und könne deshalb nicht Grundlage einer Preisanpassung sein, entschieden die Richter. (Az.: VII ZR 178/08 und VII ZR 304/08)

Mit dem Urteil kippte Karlsruhe entsprechende Klauseln aus Sonderverträgen der RheinEnergie sowie der Stadtwerke in Dreieich bei Offenbach. Der Bund der Energieverbraucher sowie mehrere Kunden hatten erfolgreich geklagt. Nach den Klauseln hätten die Kunden die Nachteile zu spüren bekommen, weil andere Faktoren wie Verwaltungs- und Vertriebskosten oder Netzgebühren unberücksichtigt blieben. Dies geht nach Ansicht der Richter nicht. Sie forderten erneut eine transparente Darstellung der Kosten. Prinzipiell untersagten die Richter eine Koppelung an den Ölpreis nicht, denn die Unternehmen müssten auch planen und kalkulieren können.

Die Ölpreisbindung wurde in den 1960er Jahren in den Importverträgen zwischen den Großimporteuren wie E.on Ruhrgas und RWE sowie Gasproduzenten wie Norwegen und Russland eingeführt, da es mangels Wettbewerbs keinen Marktpreis gab. Mittlerweile gibt es jedoch auch Lieferverträge, in denen die Ölpreisbindung nicht mehr festgeschrieben ist. Zudem sind mehr Lieferanten auf dem Markt, und der Anteil von Biogas nimmt zu. Der Großhandelspreis lag in den letzten Jahren fast immer unter den ölindizierten Gasimportpreisen.

Ein BGH-Sprecher erklärte, die Versorger müssten nach dem Urteil ihre Klauseln umstellen. Zahlreiche Gaskunden könnten auf Rückzahlungen hoffen. Weigerten sich die Versorger, müssten die Verbraucher allerdings klagen.

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte, mit dem Urteil »werden die Preistransparenz und der Wettbewerb auf dem Gasmarkt gefördert«. Der Verband kommunaler Unternehmen erklärte jedoch, die vom BGH gekippten Preisanpassungsklauseln seien in Verbraucherverträgen heute »eher unüblich«. Das Verbraucherportal toptarif.de hält die Wahrscheinlichkeit sinkender Gaspreise für »eher gering«, da das Urteil die langfristigen Importverträge zwischen großen Gaslieferanten »völlig unberührt« lasse.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal