Norwegens Frauen an der Macht

Gesetz über Frauenquote in Unternehmensführungen hat sich bewährt

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
In Norwegen müssen 40 Prozent der Aufsichtsräte weiblich sein. Befürchtungen, dass die Stellen nun mit schlechter Qualifizierten besetzt werden, gelten nach über zwei Jahren Frauenquote als unberechtigt.

Eine »Quotenfrau« zu sein – von diesem Komplex scheinen sich Frauen in Norwegens Aufsichtsräten seit der Einführung einer Quote Anfang 2008 weiter zu emanzipieren. »Qualifizierte Quotenfrau«, sei schließlich redlicher, als jahrelang mit den Chefs Fußball zu spielen und in der Sauna Karrierepläne zu schmieden, unken die Norwegerinnen inzwischen selbstbewusst.

Ausgerechnet der damalige bürgerliche Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen drohte Unternehmen bereits 2002: »Wenn nicht mehr Frauen in die Aufsichtsräte kommen, werden wir sie gesetzlich dazu zwingen«. Gesagt, getan. Ab 2006 lebten die Unternehmen mit der Gewissheit um das kommende, damals weltweit einmalige Gesetz. Ihm zufolge müssen börsennotierte Unternehmen die Aufsichtsräte zu möglichst gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammensetzen. In einem Gremium mit vier bis fünf Mitgliedern müssen von beiden Geschlechtern zwei Vertreter dabei sein, bei sechs bis acht Posten mindestens drei Männer und drei Frauen. Ab zehn Mitgliedern gilt eine Quote von 40 Prozent je Geschlecht. Die Regelung betraf über 520 private Aktiengesellschaften (AG) und den staatlichen Sektor. AGs, die die Quote nicht erfüllten, sollten maximal zwei Mahnungen bekommen, danach würden sie »zwangsaufgelöst«.

Im norwegischen Wohlfahrtsstaat, in dem Erdölreichtum und Förderunternehmen staatlich sind, ist man eine starke staatliche Hand gewöhnt. Vor allem die volkswirtschaftlich bedeutenden staatlichen Unternehmen gingen denn auch als folgsame Musterschüler voran.

Das Ergebnis: Zu Zwangsauflösungen kam es nicht. Aber der Frauenanteil in den Aufsichtsräten hat sich mehr als verdoppelt – auf 44 Prozent (Schweiz: 7, Deutschland und Frankreich: 8, Großbritannien 11). Und die Welle breitet sich aus: Selbst in kleineren Gesellschaften, für die die Regelung nicht bindend ist, stieg der Anteil auf über 30 Prozent. Vor Einführung des Gesetzes hatten nur 17,5 Prozent der Firmen solche Quoten.

Nur die Vorsitzenden der Aufsichtsräte bleiben bis heute zu 94 Prozent Männer. Zum einen soll das daran liegen, dass das Gesetz noch nicht lange genug besteht. Zudem hätten Frauen nach wie vor den Konkurrenznachteil, in der Mutterschaft aussteigen zu müssen. Die Diskussion dreht sich aber nicht mehr darum, ob eine gesetzliche Quote rechtens ist.

Selbst die norwegische Arbeitgeberorganisation NHO warb von Anfang an für die Vorteile einer möglichst schnellen Umsetzung. »Ein Mangel an qualifizierten Frauen gab es nicht«, sagt NHO Sprecherin Sigrun Vågeng. Norwegerinnen gelten zudem im Durchschnitt als besser ausgebildet als Männer. Dazu ermöglichte die Regelung Unternehmenschefs die Erneuerung und oft auch Verjüngung der Führungsspitze ohne interne Machtkämpfe.

Der Chef des norwegischen Versicherers Storeband, Idar Kreutzer, fasst die gegenwärtige Haltung der Quotenskeptiker treffend zusammen: »Grundsätzlich lehne ich Quoten ab. Aber es ist mir bisher nicht gelungen, wegen dieses Gesetzes irgendwelche Mängel zu entdecken«, sagt er der »Financial Times«.

Frauenquote

In Deutschland ist die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten noch keine Realität. Gesetzliche Regelungen gibt es nicht und die meisten Großkonzerne peilen auch intern keine an. Die Telekom aber preschte im Februar mit der Meldung vor, 30 Prozent aller Führungsposten bis zum Jahr 2015 mit Frauen zu besetzen. Das Unternehmen bleibt aber wohl zunächst einziger DAX-Konzern, der eine Quote einführt, die anderen halten laut eigener Aussage ihre Frauenförderungsprogramme für ausreichend. grg

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