»Blumen für Kim Il Sung« in Wien

Nordkoreanische Kunstausstellung in Österreich nahm politische Hürden der Konservativen

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Weder Querschüsse aus Politik und Medien noch die Verweigerung einer Garantie für die Versicherung der Werke konnten es verhindern: Mit sechsmonatiger Verspätung wurde am Dienstag die Ausstellung »Blumen für Kim Il Sung« im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) eröffnet. Erstmals werden im europäischen Westen Bilder aus der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik (KDVR) gezeigt. Das Medieninteresse war enorm.

Mit einem Riesengemälde der Hauptstadt Pjöngjang empfängt die nordkoreanische Kunst- und Architekturausstellung am Wiener Stubenring bis zum 5. September ihre Besucher. Die Wandmalerei ziert üblicherweise die Eingangshalle der Paektusan-Akademie von Pjöngjang. Rechts oben prangt eines von insgesamt 16 Porträts des als »ewig« titulierten großen Führers, in diesem Fall gemeinsam mit seinem Sohn und Nachfolger dargestellt. 180 Gemälde, Pläne und Objekte geben in der Folge einen einzigartigen Überblick über die vergangenen fünf Jahrzehnte bildender Kunst und Architektur in jenem Land, das europäischen Westlern immer noch Rätsel aufgibt.

Thematisch gliedert sich die von der Kuratorin Bettina Busse gemeinsam mit Partnern aus Pjöngjang zusammengestellte Schau in drei Bereiche: Porträtmalerei der beiden Staatsoberhäupter zwischen 1963 und 2004, Landschaften und bäuerliche Darstellungen sowie alltägliche Straßenszenen. Letztere werden durch Originalpläne und ein speziell für Wien hergestelltes Modell des größten Steinbauwerks der Welt, des aus Granit gefügten Dschutsche-Turms mit einer Originalhöhe von 170 Metern, ergänzt. Dschutsche bedeutet im Koreanischen so viel wie Autarkie, Selbstständigkeit und steht für die Kraft des »Durch uns selbst«, die den koreanischen Sozialismus ideologisch prägt.

»National in der Form, sozialistisch im Inhalt«, lautet eine der Leitlinien für künstlerische Gestaltung in Nordkorea. Zweifellos handelt es sich dabei um propagandistische Staatskunst. Der Betrachter aus dem Westen ist von ihrer Fremdheit irritiert, von der Kraft ihres Ausdrucks und ihrer Farben angetan. Er schwankt ob der Darstellung einer unhinterfragbaren heilen Welt zwischen Befremden und Sehnsucht.

Scheinbar distanzlos und väterlich bewegt sich da der »große Führer« inmitten spielender Kinder. Lächelnd ziehen Straßenfegerinnen an einem nebligen Morgen im Herbst über einen breiten Boulevard (Foto links). Das Bild eines alten Bauern mit noch älterem Pflug, neben dem ein lesender Junge steht, trägt wie selbstverständlich den Titel »Der Klang des Lesens in der revolutionären Basis«. Für eine Kritik gewohnte Betrachtung ist dies alles nur schwer verständlich. So fremd wirken Bilder selten.

Direktor Peter Noever beweist mit dieser Ausstellung Mut. Sieben Jahre lang hat er für die Schau gekämpft. Die Hindernisse waren zahlreich. »Die Koreaner konnten sich anfangs gar nicht vorstellen, eine Ausstellung mit ihren Bildern außer Landes zu veranstalten«, sagte er auf der Eröffnungspressekonferenz. Die politischen Hürden in Wien gipfelten in der Weigerung des Finanzministeriums, die bei solchen Ausstellungen übliche Staatshaftung zu übernehmen. Damit sollte wohl zum Ausdruck gebracht werden: Das ist keine Kunst, also gibt es auch keine Haftung. Die ganze Schau musste privat versichert werden.

»Unsere Steuergelder für den übelsten Diktator der Welt«, hetzt beispielsweise der langjährige Chefredakteur der konservativen Tageszeitung »Die Presse«, Andreas Unterberger, in seinem Internet-Tagebuch gegen das Museum und seinen Direktor Noever, den er zwei Sätze weiter einen »bekannten Linksradikalen« nennt. »Nur durch das Fremde erkennt man sich selbst«, kontert Noever.

Der Kulturkampf ist eröffnet. Dass sich dieser ausgerechnet an Tusche- und Ölmalerei aus der KDVR entzündet, mag erstaunen. Und zeigt doch die Verletzlichkeit des bürgerlich-liberalen Kunstverständnisses. Der Faszination und der Mystik, die von den Selbstbildern eines fernen, unverstandenen Regimes ausgehen, kann indes nur schwer mit politischer Empörung begegnet werden. Eher schon mit Auseinandersetzung. Das MAK bietet dazu Gelegenheit.

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