Beruf oder Berufung?

Krise der Medien

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Tagelang wurde Ursula von der Leyen in den Medien als Bundespräsidentenkandidatin der Union gehandelt. Als es dann anders kam, blieb eine mediale Selbstkritik weitgehend aus, moniert Thomas Leif vom Netzwerk Recherche. Er bezeichnet den Fall als einen Tiefpunkt eines Journalismus, der sich auf anonyme Quellen aus der Politik verlässt ohne diese zu hinterfragen. Dass liege ganz im Trend eines Journalismus, der längst zu einer Tätigkeit statt zu einer Berufung geworden sei. Seine Kritik am Zeitgeistjournalismus äußerte Leif am Dienstagabend auf einer Veranstaltung der Linken Medienakademie (LIMA) und des Vereins Helle Panke im Taz-Cafe in Berlin. Bleibt im aktuellen Journalismus überhaupt noch Zeit für aufwendige Recherchen oder gehören diese journalistischen Methoden der Vergangenheit an, lautete die Frage.

Leif bleibt skeptisch. Vor allem bei den jüngeren Journalisten gebe es den Hang zum »Neonjournalismus«, der sich über viele Seiten darüber auslässt, wie man sich in der Badewanne fühlt, aber wenig Interesse für gesellschaftliche Probleme hat. Als Leif dann auch die Bloggerszene in ihrer gesellschaftlichen Funktion als maßlos überschätzt bezeichnet, widerspricht eine Teilnehmerin heftig und sprach von einer räsonierenden Altherrenrunde, die den modernen Journalismus nicht mehr verstehe. Diesen Vorwurf wies Leif mit Verweis auf die von ihm initiierten Recherchestipendien für junge Journalisten zurück.

Bei der Internetplattform Wikileaks, die bisher unveröffentlichte Dokumente ins Netz stellt, fänden sie ein großes Betätigungsfeld. Mit Daniel Schmitt saß das deutschsprachige Gesicht der weitgehend anonym arbeitenden Plattform auf dem Podium. Wikileaks verstehe ich nicht als Ersatz sondern als Ergänzung der übrigen Medien, betonte er. Die Plattform machte weltweit Furore, weil sie ein bisher geheimes Video über einen US-amerikanischen Luftangriff im Irak im Herbst 2007, bei dem auch Zivilisten umkamen, ins Netz stellte. Vor wenigen Tagen wurde ein US-Soldat verhaftet, der Wikileaks das Video zugespielt und später damit geprahlt haben soll. Mehr als 1000 Mitarbeiter rund um den Globus würden die Echtheit der zugespielten Dokumente prüfen, betonte Schmitt. So konnten schon manche gefälschte Dokumente aufgespürt werden. Aber auch Schmitt ist sicher, dass die Kontrollen irgendwann versagen werden. Die Mitarbeiter von Wikileaks arbeiten in der Regel ohne Bezahlung.

Dass die meisten Medienschaffenden von ihrer Arbeit leben müssen und schon deshalb für zeitaufwendige Recherchen wenig Kapazitäten haben, wurde in der Runde kaum angesprochen. Nur Christian Bommarius von der »Berliner Zeitung« verwies auf den Alltag im Zeitungsbetrieb, der oft wenig Raum für zeit- und geldaufwendige Recherchen lässt. Leider musste ver.di-Gewerkschafterin Maria Kniesburge, die über die oft prekären Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden reden sollte, wegen Krankheit absagen. Sie hätte sicher manche herablassende Bemerkung über Journalisten, die nur für ihr Honorar schreiben und mancher idealistischen Phrase vom Journalismus als Berufung statt Beruf, mit Fakten gekontert.

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