Angst vor Langeweile

  • Martin Ling, Johannesburg
  • Lesedauer: 2 Min.

»Es ist so langweilig!« Zuzi gehört zu den Festangestellten im Moses Mabhida-Stadion in Durban. Am Freitag begab sie sich mit einem nicht vom Alkohol herrührenden WM-Kater zur Arbeit: »Es gibt überhaupt nichts zu tun heute. Ich bin so traurig, dass die WM schon wieder vorbei ist. Wir haben im ganzen Land so lange daraufhin gearbeitet, uns so riesig darauf gefreut und nun soll alles schon wieder vorbei sein«, zieht sie ein wenig fassunglos ihre WM-Bilanz, bevor sich die Wege trennen — sie geht ins Stadion. Ich drum herum, denn für mich gibt's dort definitiv nichts mehr zu tun, zumal das Pressezentrum noch in der Nacht des Halbfinales dicht gemacht wurde.

Ab Montag wird wohl ganz Südafrika nach dem Erwachen ähnlich wie Zuzi fühlen: Was, schon wieder alles vorbei? Ein ganzes Land, ein ganzer Kontinent hatte die erste WM auf afrikanischem Boden herbeigesehnt. Der Stolz darauf, ein guter und warmherziger Gastgeber zu sein, war immer und überall spürbar und vollkommen unabhängig vom Abschneiden der Bafana Bafana (Die Jungs). Viel Herzblut wurde darin investiert und die Gäste immer nach ihren Eindrücken von Südafrika befragt, wohl wissend, wie negativ das Image des Landes ist. »Im Ausland glauben doch viele, dass hier alle wie Löwen übereinander herfallen«, brachte es eine Südafrikanerin auf den Punkt. Mit der Realität hat das freilich nichts zu tun, schon gar nicht während des Ausnahmezustands der WM. Auch wenn dort viele zusätzliche Sicherheitskräfte für einen bedeutenden Zuwachs an Sicherheit gesorgt haben, dass in Südafrika der Tod an jeder Ecke lauert, ist ein schlechtes Märchen.

Der Ausnahmezustand hat nun ein Ende, der weit weniger ereignisreiche Alltag kehrt wieder ein. Nichts ist von Dauer, allerdings auch nicht die Langeweile. Durban macht sich Hoffnungen auf Olympia 2020. Noch kann das Zuzi freilich nicht trösten.

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Unser Autor (ND-Foto: Burkhard Lange) ist Experte für Afrika, Lateinamerika und Entwicklungspolitik. Auf den Sportseiten des ND schreibt er über spanischen und lateinamerikanischen Fußball.

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