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Das U-Bahn-Lied und die »Kalte Muschi« im Stadion

Leipziger Initiative präsentiert Wanderausstellung über verschiedene Formen von Diskriminierung auf Fußballplätzen

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Sexismus im Fußballstadion bei Lok Leipzig
Sexismus im Fußballstadion bei Lok Leipzig

Der FC Sankt Pauli ist als Fußballverein bekannt, bei dem Rassisten auf der Tribüne schlechte Karten haben. Es gibt sogar Anhänger, die Flüchtlinge aus Asylheimen abholen, damit sie Spiele sehen können. Während Ausländer bei dem Verein recht sicher sein können, nicht diskriminiert zu werden, empfiehlt er ein »offizielles Kaltgetränk« aus Rotwein und Cola, dessen Name wohl nicht nur viele Frauen ungenießbar finden: »Kalte Muschi«.

Für Ulrike Fabich stellt der Etikettaufdruck eine Herabwürdigung von Frauen dar, genauso wie ein Fankalender des FC Lok Leipzig, in dem weibliche Fans als Sex-Sklavinnen gezeigt werden. Beide Beispiele finden sich in einer Ausstellung, die von der Leipziger Politologin und Fußballanhängerin mitgestaltet wurde und die sich verschiedenen Facetten von Diskriminierung im Fußball widmet. Sie wurde erarbeitet von der »Initiative für mehr gesellschaftliche Verantwortung im Fußball« (IVF), die 2009 unter dem Dach des linken Vereins Roter Stern Leipzig gegründet wurde.

Spieler und Fans von Roter Stern wissen nicht erst seit den Neonazi-Attacken bei einem Spiel in Brandis in der vorigen Saison, was Diskriminierung heißt. Bei Auswärtsspielen werden sie im günstigen Fall »nur« als Linke beschimpft; nicht selten wird das berüchtigte U-Bahn-Lied angestimmt, in dem es um den Transport der Adressaten nach Auschwitz geht. Antisemitische Schmähungen wie diese sind im Fußball verbreitet und treffen unterschiedlichste Vereine: An der S-Bahn-Strecke Halle-Leipzig ist derzeit ein Graffiti »Juden Jena« zu lesen; Dresdner Fans wurden in Cottbus mit einem Transparent empfangen, auf dem das D in »Juden« als Dynamo-Logo dargestellt war. Echten Bezug zur jüdischen Geschichte eines Vereins haben derlei Attacken selten, sagt Fabich: »Sie gelten schlicht als stärkste mögliche Beleidigung.«

Anstoß wird daran in Stadien oft nicht genommen: Als der Präsident eines bekannten Leipziger Vereins beim Mitsingen des U-Bahn-Liedes erwischt wurde, hieß es, so etwas gehöre eben zum Fußball. Für Fabich und ihre Mitstreiter ist das Beleg dafür, wie weit diskriminierende Einstellungen in der Gesellschaft verankert sind. In oberen Ligen werden derlei Sprüche und Transparente oft nicht mehr in den Stadien geduldet. »In den Köpfen hat sich damit aber noch nichts geändert«, sagt Fabich: In unteren Ligen, wo auf Sportplätzen weniger kontrolliert wird, brechen sich Ressentiments ungehindert Bahn.

Die Ausstellung, für die mit dem Fußballverband der Stadt Leipzig kooperiert wurde, soll zumindest das Problembewusstsein in kleinen Vereinen schärfen – was ein erster Schritt ist, um Gegenstrategien zu entwickeln. Beispiele dafür liefert die Exposition mit: Als der Leipziger Fußballer Adebowale Ogungbure in Halle wegen seiner Hautfarbe angepöbelt wurde, gründete sich eine Initiative »Wir sind Ade«, deren Mitglieder sich demonstrativ die Gesichter schwärzten. Daraus ging die Fan-Initiative »Bunte Kurve« hervor, eines von, wie Fabich konstatiert, bislang eher wenigen derartigen Projekten in Sachsen.

Vielleicht, so die Hoffnung bei der IFV, werden es durch die Ausstellung ein paar mehr. Einiges erreicht hätte man auch schon, wenn die Verantwortlichen bei Rassismus, Sexismus oder Neonazismus genauer hinschauen – wozu Fachkenntnisse hilfreich sind. Als Fans von Sachsen Leipzig kürzlich nach Zwickau fuhren, trugen sie Shirts mit der Aufschrift EDI-EHT. Was auf den ersten Blick kurios wirkt, ist tatsächlich die sächsisch-englische Transkription von 88 – was bei Nazis für »Heil Hitler« steht.

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